Die Gemeinden Wallern, Tadten, St. Andrä oder Andau gelten als Gemüsezentren Österreichs. Die Anfänge des Gemüsebaues liegen in den 1950er Jahren, wobei insbesondere kleinere landwirtschaftliche Betriebe sich mit dem neuen Wirtschaftszweig beschäftigten. Ihre Lehrmeister waren Bulgaren, die als Kriegsflüchtlinge nach Österreich gekommen waren und das Burgenland als geeignetes Anbauland für Gemüse entdeckt hatten. Sie pachteten Ackerflächen, brachten neue Gemüsesorten, neue Anbautechniken und die Bewässerungswirtschaft mit ins Land und legten so den Grundstein für die Entstehung der Gemüsezentren, da sich die örtlichen Kleinbauern bald so manches von den „Bulgarengärtnern“ abschauten.
Unter anderen lebte in Kittsee der bulgarische Gärtner Pantscho Atanasoff, der 1950 um eine Aufenthaltsgenehmigung bei der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See ansuchte:
„Gefertigter Pentscho Atanassoff, geb. am, 11.11.1919 in Russe, ledig, Gärtner, wohnhaft in Kittsee Nr. 229, ersuche höfl. Um die Erteilung der Aufenthaltsbewilligung b.a.w. und begründe mein Ansuchen wie folgt: Ich bin seit September 1948 in Österreich und seit 2. Jänner 1949 in Kittsee wohnhaft und betreibe hier einen Gärtnereibetrieb im Aussmasse von 4,5 Kat.-Joch Ackergrund. Ich habe in Kittsee Nr. 229 eine Wohnung und versichere, dass ich aus dem Ertrage meines Gärtnereibetriebes meinen Lebensunterhalt zu fristen in der Lage bin, daher ich um die Erteilung der Aufenthaltsbewilligung b.a.w. höfl. Ersuche. Ich bin im Besitze einer vorläufigen Aufenthaltserlaubnis der Polizeidirektion Wien vom 24. Sept. 1948.
Hochachtungsvoll P. Atanasoff
(BLA Reg. Archiv. Umsiedlung XII/1950. 201-300. XII-U-257-50)
Das Ansuchen wurde von der Gemeinde positiv beurteilt. Es ist nicht bekannt, ob sich die Bezirkshauptmannschaft diesem Antrag anschloss.
Frisches, knackiges Gemüse aus dem Seewinkel – natürlich ist es österreichweit bekannt. Doch wer legte den Grundstein für diese Gemüsezentren? Die wirklich großen Veränderungen im Gemüsebau begannen nämlich mit dem Zuzug der ersten bulgarischen Familien im Seewinkel.
In dem Beitrag „Bulgaren als Lehrmeister im Gemüseanbau (2)“ handelt es von bulgarischen Flüchtlingen, welche den Gemüseanbau in Wallern, Tadten und St. Andrä entscheidend prägten. Laut Bericht brachten diese Familien neue Gemüsesorten, Anbautechniken und die Bewässerungswirtschaft mit ins Land.
Die Zuwanderer waren verspätete Kriegsflüchtlinge, die in ihrer Heimat verfolgt wurden. Sie begannen mit dem Anbau von Paradeisern und Paprika. Als diese Familien in den Seewinkel kamen, wurde auch erstmals der 12-Stunden-Tag eingeführt und die Arbeiterinnen nach Stunden bezahlt. Die Entlohnung der bulgarischen Familien war auch höher als die der Einheimischen. Daher hatten die bulgarischen Familien auch keine Probleme Arbeitskräfte zu finden. Sowohl Frauen als auch Männer boten sich für deren Feldarbeit an.
Doch was wäre aus den heutigen Anbauzentren, wenn bulgarische Familien diese Veränderungen nicht in die Dörfer des Hanság gebracht hätten? Meiner Meinung nach hätten wir natürlich auch ohne bulgarische Familien einen hohen Status im Gemüsebau. Ich denke, dass die Weiterentwicklung und die neuen Techniken ohne diese Familien jedoch erst später in den südlichen Teil des Bezirkes Neusiedl am See gekommen wären. So gesehen, war die Zuwanderung dieser Familien in diese Dörfer nur eine Bereicherung.