Im April 1882 verschwand in einem Dorf in Innerungarn ein Mädchen. Den dort ansässigen Juden wurde daraufhin der Vorwurf des Ritualmordes gemacht. Als Folge davon flammten 1882 und 1883 in ganz Ungarn antijüdische Tumulte auf. Eine Welle teils organisierter Gewalttätigkeiten wälzte sich durch das Land. Im Herbst 1882 erschütterten antisemitische Ausschreitungen, die bis hin zu Körperverletzung und Mord führten, etliche Orte im Wieselburger Komitat.
Die Pressburger Zeitung berichtet darüber am 2. November 1882:
Neuerliche Judenkrawalle. In Geoyß (Nyulas/Jois) im Wieselburger Komitate hat sich in der Nacht vom 31. v.M. ein schrecklicher Akt antisemitischer Ausschreitung begeben. Zwischen 8 und 9 Uhr Abends drang in Haufen Männer in das Haus des dortigen Moritz Steiner, plünderte und zerstörte dessen Warenlager und als Steiner und seine Gattin, die sich in hochschwangeren Zustande befand, flüchteten, wurde letztere auf offener Gasse erschossen. Frau Steiner war 26 Jahre alt, seit 6 Jahren verheiratet und hinterließ zwei arme Kinder im Alter von 2 und 5 Jahren. Wie uns von glaubwürdiger Seite mitgetheilt wird, hat bereits vor einigen Tagen ein Bursche der Frau Steiner, mit dem Revolver in der Hand, Zigarren abgefordert. Steiner machte hievon dem Vicenotär des Bezirks in Neusiedl die Anzeige, der ihm jedoch zur Antwort gab, „ja, die Unschuldigen müssen mit den Schuldigen leiden”, ohne daß er etwas verfügt hätte. Als das Volk sah, daß von Seite des Gerichtes nichts geschehe, wurden ins Haus des Steiner Petarden (Explosionsmittel) gelegt, welche nicht nur ihn, sondern auch die Nachbarn gefährdeten. Ueber Anzeige beim Stuhlrichter wurden endlich zwei Anstifter verhaftet, was im Orte eine derartige Aufregung hervorrief, daß die Leute schon Dienstag bei Tage über Steiner und dessen Frau mit dem Messer gingen und riefen: „Heute Nacht müssens Alle hin werden” ,bis Abend richtig die geschilderte Katastrophe eintrat.
(Quelle: Kriszt, Roman: Antisemitische Ausschreitungen im Komitat Wieselburg 1882. In: Burgenländische Heimatblätter. Band 73. Heft 4. Eisenstadt 2012. S. 193-208.)
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