Eine Schülergruppe aus Thüringen besuchte im September 1929 Österreich. Über Passau, Linz, Melk, Dürnstein und Krems ging es nach Wien und von dort ins Burgenland, wo die erste Station Neusiedl am See war. In einem Bericht beschreiben die Jugendlichen die Kleinstadt am See:
„Der erste Eindruck ist eigentlich trostlos. Vom Bahnhof zum Ort sonnverbrannte Straßenränder und Staub, Staub, Staub. Die kleinen einstockigen Häuschen passen in ihren sauberen, blendendweißen Kalkanstrich gar nicht zu den matten Farben, die sich da und dort noch schüchtern durch die Staubdichte wagen. Zwischen den Häusern wirds eigentlich freundlicher. Wir zotteln die Hauptstrasse hinunter und haben viel Zeit.
Wie hatten wir uns auf die Trauben vom Neusiedlersee gefreut, jetzt konnten die langgehegten Wünsche, recht viel Trauben zu essen, in Erfüllung gehen. Jeder Wikingsfahrer kaut mit vollen Backen. Ist das schön und – billig!
Für Neusiedl scheinen wir ein Ereignis zu sein. Nur neugierige aber freundliche Gesichter. Die Männer ausnahmslos in langen Stiefeln. Es muss bei schlechtem Wetter doch ein fürchterlicher Dreck hier sein. Na ja, nur Schwemmland rundherum. […] Als wir durch die Gärten von Neusiedl gehen, entdeckten wir abseits von der Hauptstraße eine Reihe von winzigen Häuschen, die bald nicht größer waren als die Dorfbacköfen bei uns zu Hause. Sie standen eng aneinander geduckt, und nach der Strasse zu schloss ein Zaun aus mannshohen Schilf den kleinen Hof ab. So winzig alles war, so sauber war es doch auch. Bündel von gelben Maiskolben hingen an den weißgekalkten Wänden.[…]
Wenn wir uns heute zu Haus fragen, welches die stärksten Eindrücke unserer Fahrt waren, dann steht obenan merkwürdigerweise nicht das Haupt des österreichischen Landes, die Stadt Wien […]. Vielmehr: Das Ergebnis schlechthin ist das Burgenland. Vielleicht schon deswegen, weil wir da wirklich Muße zum Schauen hatten, in der Hauptsache aber deswegen, weil Landschaft und Menschen zu unserem Land und seinen Bewohnern ebensoviel Gegensätzliches wie Verwandtes aufwiesen. Wir hatten noch nie ein so seltsames Nebeneinander von zielbewusstem Aufbau und von erdverbundener Zuständlichkeit erlebt. Wieviel noch unbenutzte Möglichkeiten liegen in dem fruchtbaren Boden, wieviel unverbrauchte Kraft.“
(Michael Hess, Neusiedl ist ganz anders. In: Neusiedler Jahrbuch Band 16. 2014 Verein Neusiedler Stadtarchiv (Hrsg) S.69-77)
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