Nur etwa zehn Prozent der Burgenland-Roma überlebten den Holocaust. Nach 1945 wurden ihnen ähnliche Vorbehalte wie bereits vor dem Krieg von der Bevölkerung entgegengebracht. Die Anerkennung als Opfer der rassistischen NS-Verfolgung und die damit verbundenen finanziellen Entschädigungen blieben den Roma lange Zeit versagt.
Der Bürgermeister aus St. Margarethen an die burgenländische Landesregierung am 23. Juni 1951:
„[…] Die o.a. Elisabeth Horvath lebt seit 1946 mit ihren Lebensgef. Franz Horvath geb. 1904 in St. Margarethen. Sie selbst ist angeblich am 28.4.1917 in Walbersdorf geboren und nach Mattersburg zuständig. Von ihrem ersten Lebensgef. können wir nichts bestätigen, da er lt. ihren Angaben aus Siegendorf stammt. […] Obgenannte ist erst 1946 nach St. Margarethen ohne Erlaubnis zugezogen und lebt seither mit einem hiesigen Zigeuner Franz Horvath.
Als Unterstützungswürdig ist sie nicht anzusehen, da die Zigeuner als arbeitsscheu allgemein bekannt sind. Ausserdem ist die Obgenannte mit Urteil vom 28.11.1949 wegen § 171, 174 II (VrD) mit 1 Monat Kerker vorbestraft. Kinder hat sie keine.“
Der Bürgermeister.
Ein weiteres Ansuchen um finanzielle Unterstützung lehnte die Gemeinde am 27.Juli.1957 mit folgender Begründung ab: „Eine Unterstützung derselben aus öffentlichen Mitteln würde nur den Unmut der Bevölkerung erregen“.
(Sammlung Brettl, Halbturn)
Immer wieder ohne Worte und sehr traurig!
Einen tollen Burgenland Blog haben Sie geschaffen
Mfg
Opfer zweiter Klasse?
Obwohl von ursprünglich 8000 burgenländischen Roma nur zwischen 600 und 700 Personen den Holocaust überlebten, hatte die Volksgruppe auch nach dem zweiten Weltkrieg weiterhin mit Diskriminierung, Stigmatisierung und Rassismus zu kämpfen.
Auch finanzielle Entschädigung oder Unterstützung blieb den Menschen lange Zeit verwehrt, was im Artikel „keine Unterstützung für Roma“ von Dr. Herbert Brettl deutlich wird. Im Brief des damaligen Bürgermeisters von St. Margarethen, der im Juni 1951 an die burgenländische Landesregierung verfasst wurde, erkennt man, wie fest auch zu dieser Zeit die öffentliche Diffamierung der Roma im Alltag verankert war.
Viele der überlebenden Roma, die nach ihrer Befreiung wieder in ihre alten Heimatorte zurückkehrten, mussten feststellen, dass ihre Häuser nach der Deportation abgerissen und ihre Grundstücke zum größten Teil verkauft worden waren. Da die Mehrheitsgesellschaft ihre Vorurteile weiterhin genau wie vor dem Krieg hegte, wurden neue Siedlungen nur am Rand oder außerhalb der Ortschaften geduldet und unter starkem Widerwillen der Gemeinden so provisorisch errichtet, dass sie höchstens als Übergangslösung bewohnbar waren. Ein Erwerb von Häusern innerhalb der Ortschaft wurde den Roma durch die ansässigen Bürger verwehrt und so war die geografische Lage der Siedlungen nur eines von vielen Symptomen der sozialen Ausgrenzung innerhalb der Gesellschaft.
Die Roma wurden in den Jahrzehnten nach dem Krieg weiterhin nicht als autochthone Volksgruppe in Österreich anerkannt, was unter anderem zur Folge hatte, dass sie bei Volkszählungen nicht berücksichtigt wurden und die Kinder keinerlei schulische Förderungen erhielten, was jeden möglichen Ausweg aus der Lage am Rand der Gesellschaft zunichte machte. Besonders erschreckend erscheint es, dass es Romakindern nach 1945 zwar möglich war eine Schule zu besuchen, jedoch fast alle Kinder durch bestehende Vorurteile nur in Sonderschulen zugelassen wurden, was natürlich eine spätere Benachteiligung am Arbeitsmarkt nach sich zog. Die Roma wurden somit weiterhin an den äußersten Rand der Gesellschaft gedrängt, was von Politik und Bevölkerung ignoriert wurde.
Oftmals beeinflussten auch vorhandene Vorstrafen, wie auch im oben angeführten Brief erwähnt, das öffentliche Bild der Roma. Viele Roma wurden ab 1938 als „Asoziale“ verhaftet, was bedeutete dass jeder, der „durch wirtschaftswidriges, wenn auch nicht verbrecherisches Verhalten zeigt, dass er sich nicht in die Gemeinschaft einfügen will“, festgenommen werden konnte. In anderen Fällen waren diese Strafen Folge einer Gegenwehr gegen vorausgegangene Diskriminierung, in den Nachkriegsjahren auch oft die Strafen für Reaktionen auf Gewerbeverbote und Lokalverbote.
Ein schwerwiegendes Problem bestand darin, dass die Roma lange Zeit keine übergeordnete Vertretung hatten, die sich ihrer Probleme annahm und sich für Gerechtigkeit einsetzte. Erst 1988 erhielten sie erstmals Opfer- und Unterhaltsrenten und 1989 wurde der Verein “Verein zur Förderung der Roma und Sinti“ , jetzt “Verein Roma Oberwart“, gegründet. Es dauerte noch weitere 4 Jahre, bis 1993 die Anerkennung als sechste Volksgruppe in Österreich erfolgte.
Erschreckenderweise prägen auch heute oftmals Vorurteile unser Bild von Personengruppen, die am Rand der Gesellschaft stehen. Auch damals war es wahrscheinliche leichter wegzuschauen, als sich den Problemen anzunehmen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Ich bin mir sicher, dass wir mit Interesse und Offenheit für andere Kulturen und Begegnungen auf Augenhöhe in Zukunft viel Ungerechtigkeit verhindern können.