Nach der NS-Machtergreifung wurden im Schulwesen politisch motivierte Säuberungen durchgeführt, insbesondere bei Lehrer und Lehrerinnen, die dem „Ständestaat“ positiv gegenübergestanden waren. Von den Lehrern und Lehrerinnen, die weiter unterrichten durften, wurde noch in den Apriltagen 1938 verlangt, einen Eid auf Adolf Hitler abzulegen. Außerdem versuchte man, sie gleichzuschalten und auf der Grundlage der nationalsozialistischen Weltanschauung fortzubilden. Lehrer, die sich in weiterer Folge nicht regimetreu verhielten, wurden massiv bedroht und eingeschüchtert.
„Ortsgruppenleitung der NSDAP Neufeld a. L.
An Frau W.N., Lehrerin
Betreff: Zurückweisung der ehrenamtlichen Mitarbeit als Druschkontrollor
Zu Ihrem Schreiben vom 10. Juli 1942 muß ich leider auch Stellung nehmen, u. zw. als Ortsgruppenleiter, denn es ist mir unerklärlich, wie eine deutsche Frau so handeln kann. Denn Sie haben bis heute verstanden, jede kleinste Mitarbeit für die Partei und somit für die Volksgemeinschaft zu verweigern. Ob Sie auch davon Ihre Dienstbehörde informiert haben, bezweifle ich. Oder ob Sie Ihrer Dienstbehörde auch solche Briefe schreiben, die jeder Deutsche unwürdig sind, glaube ich kaum. Und wenn? Dann verstehe ich nicht, daß man so etwas für unsere heutige Jugenderziehung duldet. Und noch weniger, daß man für so etwas vielleicht später Pension bezahlt, denn das wäre in einem deutschen Staat das größte Verbrechen.
Aber Sie werden vielleicht vergessen haben, Ihre Dienststelle davon in Kenntnis zu setzen, daß Ihr Haushalt noch von 2 anderen Frauen geführt wird und Ihre Jungen schon erwachsen sind, und daher Ihre Ablehnung zur ehrenamtlichen Mitarbeit unverständlich erscheint. Was die Seidenraupenzucht anbelangt, habe ich Sie auch wann Ihre Kinder Blätter sammelten, stets vermißt. Daher verwenden Sie nur billige Ausreden, um für den deutschen Staat ja keinen Handgriff zu leisten und damit den Sieg erringen zu helfen.
Aber Ihr Verhalten gegenüber der Volksgemeinschaft beweist, daß Sie das Gegenteil fördern. Daher behalte ich mir als Ortsgruppenleiter gegen Sie noch weitere Schritte vor.
Heil Hitler
M.D.
Ortsgruppenleiter
(Burgenländisches Landesarchiv. Regierungsarchiv, XII 1949, 176-430. 310-1947)
Einschüchterung und Bedrohung einer Lehrerin
Kommentar von Marie Schitzhofer
Dass Lehrerinnen bedroht und eingeschüchtert werden, hat heute meist ganz andere Gründe als zur Zeit des Nationalsozialismus. Kaum vorstellbar, dass Lehrer gezwungen wurden, einen Eid auf Hitler zu leisten oder auch, nach einer nationalsozialistischen Weltanschauung zu unterrichten.
Die Zeit des Nationalsozialismus ist eine undenkbar schwere Zeit gewesen, für uns heute allerdings nicht mehr wirklich greifbar. Wenn wir jedoch mit Original Medien aus der Zeit in Berührung kommen, dann erst werden die Ausmaße klar. Wie im Brief des Ortsgruppenleiters der NSDAP Neufeld a.d. Leitha an Frau W.N., Lehrerin – der die Zurückweisung der ehrenamtlichen Mitarbeit als Druschkontrollor betrifft. Erst hier wird der Druck, den die Nationalsozialisten auf die damalige Gesellschaft ausgeübt haben greifbarer, denn in diesem Brief wird die Lehrerin persönlich beschimpft und bedroht zusätzlich wird ihr der Titel der „deutschen Frau“ förmlich aberkannt. Denn für eine deutsche Frau gehöre es sich nicht, die Mitarbeit für die Partei zu verweigern.
Für mich persönlich eine wahnsinnig schwierige Situation, denn nicht nur damals, sondern auch heute müssen LehrerInnen bestimmten Konventionen folgen, sie sollen nach gesellschaftlichem Willen handeln, sollen Kinder zu mündigen Individuen erziehen und doch „nur“ den vorgegebenen Stoff behandeln. Diese Spannungsfelder sind jedoch nicht die einzigen, denen Lehrpersonen täglich ausgesetzt sind, denn schon in der Ausbildung kommen viele Wissenschaften zusammen, die man integrieren soll und mit denen man sich als Lehrer vertraut machen muss.
Wenn man sich vorstellt, man bekomme noch Briefe der Ortsgruppenleiter der Gemeinde, zusätzlich zu allen Lehr-, Beziehungs-, Erziehungs-, und allen anderen Aufgaben hinzu, dann wird klar, wie schwer das Leben von Frau W.N. gewesen ist.