1938 wurde die Gemeinde Kaisersteinbruch von dem NS-Regime aufgelöst, die Bevölkerung zwangsweise ausgesiedelt und deren Eigentum wie auch das Gemeindeeigentum dem Deutschen Reich einverleibt. Nach dem Ende des 2. Weltkrieges und dem Fall des NS-Staates begann die Bevölkerung mit der Wiedererrichtung der Gemeinde.
Im August 1950 wandte sich die Gemeinde mit einem Bittbrief an die Bürgermeister des Bezirkes: „[…] Nach langwierigen Verhandlungen und Überwindung größter Schwierigkeiten ist es dem derzeitigen Gemeinderat gelungen, einen Teil der Bevölkerung wieder anzusiedeln und den Haus- und Grundbesitz der Gemeinde sicherzustellen. Jedoch zwei Drittel des ehemaligen privaten Hausbesitzes und 80% vom Hausbesitz der Gemeinde, darunter Gemeindevolksschule und Lehrerwohnung, sind heute noch ein Trümmerhaufen. Der Rest mit Kirche ist zum Teil schwer beschädigt. […]
Vom Land und Bund, die selbst ein Notopfer von den Gemeinden einheben, sind derzeit keine Mittel für den Wiederaufbau zu bekommen. […] Um dieser trostlosen Lage einigermaßen zu begegnen, in der sich unsere liebe Heimatgemeinde, von uns unverschuldet, befindet, wenden wir uns mit der innigsten Bitte an Sie, sehr geehrter Herr Bürgermeister, Ihre Gemeinde wolle unser schwieriges Aufbauwerk mit einer kleinen Spende unterstützen. Betrachten Sie, geehrter Herr Bürgermeister und der Ihnen zur Seite stehende Gemeinderat unseren Hilferuf nicht als lästige Bettelei. Für uns gilt es die verlorene Heimat wieder zurückzugewinnen. Was sie uns wert war, das haben wir erst so richtig erkannt, als wir sie verloren hatten. Vielleicht waren gerade wir vom Schicksal dazu auserkoren, dieses große österreichische Opfer auf uns zu nehmen, damit es anderen Gemeinden erspart geblieben ist.
Unser innigster Wunsch, der zugleich der Dank für ihre geneigte Hilfsbereitschaft sein soll. Geht dahin, daß die Bevölkerung ihrer lieben Heimatgemeinde von dem traurigen Schicksal „Heimatlos“ in alle Ewigkeit verschont bleiben möge.“ Der Bürgermeister für die Gemeinde Kaisersteinbruch
(Gemeindearchiv Halbturn, Korr. 1950. o.Z.)
“Eine Hand wäscht die andere.” Wenn jemand in Not ist, dann hilft man. Schon von klein auf wurde einem das beigebracht. Es klingt einfach und logisch. Doch nur weil es so klingt, heißt das noch lange nicht, dass es das auch wirklich ist, oder?
Anna fällt beim Spielen auf die Nase. Peter kommt angelaufen und hilft ihr wieder auf die Beine. Juhu, er hat jemandem geholfen. Zuhause bekommt er viel Lob von den Eltern, und am nächsten Tag eine Dankeskarte von Anna. Wie einfach es doch war Anna zu helfen, und wie viel er zurückbekommen hat. Peter ist stolz auf sich. Doch was wird passieren, wenn Peter als Erwachsener jemandem hilft, und nichts zurückbekommt? Dann wird das wohl das letzte Mal gewesen sein, dass er jemandem geholfen hat.
Wie viel macht der Mensch aus reiner Hilfsbereitschaft? Sehr viel möchte man meinen. Doch wie oft kommt es wirklich vor, dass man sich eine Gegenleistung erwartet. Vermutlich öfter, als man zugeben will. Nehmen wir das Dorf Kaisersteinbruch als Beispiel. Von den Nazis vollkommen zerstört, bittet die Gemeinde nach Kriegsende alle Bürgermeister des Bezirks um eine Spende, damit Kaisersteinbruch wieder aufgebaut werden kann. Bestimmt gab es von einigen Unterstützung, doch wie viele Gemeinden wollten später eine Belohnung, wenn es dem zerstörten Dorf wieder gut ging. Nun gut, damals waren es schwierige Umstände, natürlich wollten die Dörfer etwas zurückhaben. Das mag wohl stimmen, doch wie sieht es heute aus? Die Banken vergeben Kredite, doch wollen alles zurück, mit Zinsen. Staaten helfen Staaten, und wollen alles zurück, mit Zinsen. Ein Nachbar borgt seinen Rasenmäher her, und will ihn dann zurück, am besten mit einer Tafel Schokolade als Dankeschön. Das letzte Beispiel ist doch recht nett. Doch warum kann sich dann kein Nachbar mehr den Rasenmäher ausborgen, wenn es keine Schokolade gibt?
Wie kann Peter jemals sein Verhalten korrigieren, wenn es doch genauso in der Gesellschaft gelebt wird? Mit anderen Worten: Was geschieht, wenn die eine Hand die andere nicht mehr waschen kann?