Joseph Roth, Schriftsteller und Journalist, begab sich 1919 in das heutige burgenländisch-ungarische Grenzland, um das neue, vielfach unbekannte Land, das Österreich in St. Germain zugesprochen worden war, zu erkunden. Seine Reise führte ihn nach Neudörfl und (Bad) Sauerbrunn, Nagycenk/Zinkendorf, Sopron/Ödenburg und Deutschkreutz. Im August 1919 erschienen seine Reisereportagen in der Wiener Tageszeitung „Der Neue Tag“ unter dem Titel „Reise durchs Heanzenland“, verfasst von „unserem nach Westungarn entsandten Sonderberichterstatter“.
In Deutschkreutz wurde Joseph Roth mit der burgenländischen Tanzkultur vertraut: „In Deutsch-Kreuz war Tanz- und Polterabend. Die weiten Gehöfte leer und nur die Alten waren zu Hause geblieben. Von Zeit zu Zeit kamen ein Kind oder ein Großvater des Weges daher und erzählten, dass „Marie-Tre’s“ ein Sacktuch wünsche. In Deutsch-Kreuz ist die Institution der Parkettböden nicht bekannt. Man tanzt vielmehr im Hofe und eine Ziehharmonika liefert die nötige greuliche Musik. Die Mädchen, alle weiß gekleidet und mit schwarzen Kopftüchern, stehen in dichten drei Reihen hinter einander im Hofe, die Burschen stehen auf der anderen Seite, aber eher in Gruppen, viel zwangloser und freier. Manche sitzen drin in der Schenke und tun einen anständigen Zug. Auf einmal geht der Spektakel los: Aus der missgestimmten Ziehharmonika flattert ein tiefer Ton auf, wie ein schwerer, plumper Vogel versucht er, eine Weile in der Luft zu bleiben und fällt dann schwer und plumpsend zu Boden. Diesem Ton folgt ein heller, junger, es klingt wie ein Hahnenschrei und auf dieses Zeichen stürzen die Burschen ohne Hüte und in Hemdärmeln aus der Schenke. Im Nu sind die Weiber vergriffen. Der Bursche hält das Mädchen nicht etwa an sich gepresst, sondern hat beide Arme um ihre Hüfte geschwungen. Der Oberarm bleibt hölzern, steif und fest, so dass das Mädchen in einem Abstand von etwa zehn Zentimetern von seinem Körper entfernt bleibt. Der Tanz ist vollkommen kunstlos und besteht aus monotonen Drehbewegungen. Man dreht sich so lange, als der Ziehharmonikamensch will, denn es gilt als Schimpf, früher aufhören zu müssen. Man dreht sich in dem engen Hofe, in dem es zum Ersticken heiß ist, bis man im eigenen Schweiße ertrinkt. Der Boden ist nass wie nach einem Platzregen.“
(http://www.ojm.at/blog/2011/11/14/mit-joseph-roth-ins-judische-burgenland)
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