Das Bundesgesetzblatt der Republik Österreich vom 9. Februar 1921 legte im Artikel 85 fest, dass das Burgenland ein selbständiges und gleichberechtigtes Land im Bund ist. Zudem steht im §1: Landeshauptstadt des Burgenlandes ist die Stadt Ödenburg. Da Ödenburg auf Grund der Volksabstimmung vom 14./16. Dezember 1921 bei Ungarn geblieben war, musste eine neue Landeshauptstadt gefunden werden. Der Landesverwalter bezog zunächst provisorisch seinen Amtssitz in Mattersdorf, Wiener Neustadt und ab Anfang 1922 in Sauerbrunn, da dort ausreichend geeignete Gebäude zur Verfügung standen. In weiterer Zeit diskutierte man intensiv, wo im neuen Bundesland Burgenland der zukünftige Sitz der Landesregierung/Landesverwaltung sein sollte. Die Gemeinde Sauerbrunn und deren Bevölkerung bemühten sich neben Mattersburg, Eisenstadt und Pinkafeld, dass Sauerbrunn auch in Zukunft „Landeshauptstadt“ sein werde. Unter anderen kam es am 25. Oktober 1924 zu einer Demonstration, welche von der örtlichen Gendarmeriebehörde beobachtet wurde:

Die „Villa Bank“ in Sauerbrunn war von 1922 bis 1930 Sitz der Burgenländischen Landesregierung

„Am 25. Oktober 1924, wurden die Einwohner von Sauerbrunn durch Flugzettel aufgefordert, an einem Demonstrationszuge, betreffend die Hauptstadtfrage teilzunehmen. Der Abmarsch der Teilnehmer sollte um ½ 10 Uhr vorm, vom Hauptplatz zum Gebäude der Landesregierung stattfinden. Um ca. ¾ 10 Uhr vorm., marschierten die Demonstranten, beiläufig 30 bis 35 Personen, die aus ihrer Mitte eine Deputation bestehend aus den Sauerbrunner Einwohnern, Ansorge, Dr. Grimm, Tuschek und Stockinger wählte, zum Gebäude der Landesregierung. Die Deputation begab sich, da Landeshauptmann Rauhofer nicht anwesend war zu Herrn Landeshauptmann-Stellvertreter Leser, während die anderen vor dem Gebäude warteten. Nach einiger Zeit forderte Bräuer die Anwesenden auf, ebenfalls hinauf zu gehen, welcher Aufforderung auch Folge geleistet wurde. Bräuer machte sich am meisten bemerkbar durch seine Rufe: „Wir wollen Herrn Landeshauptmann-Stellvertreter Leser hören! Heraus!“ In welche Rufe die anderen Teilnehmer ebenfalls einstimmten. Als nach einigen Minuten darauf Herr Landeshauptmannstellvertreter Leser erschien, brachte Stockinger die Wünsche der Anwesenden vor, auf die Herr Landeshauptmannstellvertreter Leser sachgemäss antwortete. Tuschek sprach dann noch von den früheren Deputationen der Sauerbrunner in Wien betreffend die Hauptstadtfrage, die jedoch zu keinem Resultate führten und ersuchte in dieser Angelegenheit um Unterstützung der Landesregierung, die ihm vom Landeshauptmannstellvertreter Leser zugesagt wurde.
Um 11 h entfernten sich die Teilnehmer der Demonstration in Ruhe. Erstatte hievon dem Amte die Meldung.
Mikovits Oskar e.h. Krb. Ray.Insp.
Zusatz: Die Demonstranten bestanden hauptsächlich aus Arbeitern, welche von einzelnen Hausherren (z.B. Grimm) mitgenommen wurden.“
(BLA. Polizei (4-5) 1924. 881-E. 1868/24)