Während der Kurort Sauerbrunn im Burgenland der einzige Ort war, in dem den Landesbehörden in den Hotels, Pensionen und Villen die geeigneten Räumlichkeiten zur Verfügung standen, so hatte der Landtag in der Eisenstädter Kaserne, in der sich ein geeigneter Sitzungssaal befand, seine Unterkunft. Die Diskussion bzw. der Streit um eine neue (provisorische) Hauptstadt sollte drei Jahre dauern. Während sich Politiker aus dem Landessüden für Pinkafeld als Hauptstadt aussprachen, war der erste Landeshauptmann Rausnitz gar für den Sitz im niederösterreichischen Wiener Neustadt.
Mattersburg, Pinkafeld, Sauerbrunn und Eisenstadt versuchten in den folgenden Jahren mit Petitionen, Demonstrationen und baulichen bzw. finanziellen Versprechen den Zuschlag als „Sitz der Burgenländischen Landesregierung und des Landtags“ zu erhalten. Auch der Bürgermeister von Pinkafeld, Julius Lehner, warb in der Oberwarther Sonntagszeitung vom 23. Dezember 1923 für seine Großgemeinde:
„[…] Die Großgemeinde Pinkafeld tritt nicht aus Abenteuerlust auf den Plan, die Großgemeinde kommt nicht betteln; betteln kann bloß jener, der nichts sein Eigen nennt. Pinkafeld bietet – es bietet seine geographische Lage, seine Geschichte, sein durch Jahrhunderte bewahrtes deutsches Gepräge, die Großgemeinde bietet seine Industrie, seinen Handel: seine Entwicklungsmöglichkeiten, die eine künftige Landeshauptstadt nicht in Gefahr kommen läßt, in der Reihe der Landeshauptstädte die Rolle eines Catinja zu spielen. Pinkafeld bietet seine landwirtschaftlichen, seine hygienischen Vorzüge und es bietet seine Bürgerschaft, die unter den Mitbürgern im Burgenland die meisten Steuergelder dem Lande gibt, ihre ernsten, weitgehendsten Mithelfer.
Warum tritt die Großgemeinde erst jetzt auf den Plan? Die Ausführungen des Gegners enthalten den Grund: Der europäische Skandal, der Zustand der Straße von Sinnersdorf, und der stockende Bahnbau mußte die Großgemeinde, da sie sich dadurch in ihrer Industrie und in ihrem Handel durch den Verlust des ungarischen Absatzgebietes und jenes am Balkan auf das empfindlichste geschädigt sieht, zwingen, die Öffentlichkeit von ihrer Existenz, von ihrer Geschichte und ihrer wirtschaftlichen Bedeutung zu unterrichten, zumal das südliche und mittlere Burgenland geflissentlich mit Stillschweigen übergangen zu werden pflegt. Die Großgemeinde Pinkafeld tritt an die Landesregierung und an den Landtag heran, erst heute und nicht früher, weil dem neuen Landtag, der neuen Landesregierung, die Lösung der noch ungelösten Hauptstadtfrage zusteht. […]“
(BLA. Polizei (4-5) 1924. 301-880. 4-579/1924
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