Am 18. Oktober 1935 erließ das NS-Regime in Deutschland das „Gesetz zum Schutz der Erbgesundheit des deutschen Volkes“ (Ehegesundheitsgesetz), das in der Ostmark am 1. Jänner 1940 in Kraft trat. Ehewillige mussten nun eine Gesundheitsprüfung über sich ergehen lassen und aufgrund dieses Gesetzes erhielten die Gesundheitsämter die Möglichkeit, unerwünschte Ehen zu verbieten. Als Grundlage für Eheverbote dienten die in der „Erbkartei“ erfassten Daten. Die Sippentafel war eine stammbaumähnliche Erfassung der Ahnen, in der Erbkrankheiten vermerkt wurden. Für die Erstellung wurden Auskünfte von Ärzten, Lehrern, Fürsorge, Jugendamt, Pflegeanstalten, Standesbeamten, Bürgermeistern und Pfarrern herangezogen. So bedankte sich beispielsweise im Jänner 1941 der Landesobmann für die erbbiologische Bestandsaufnahme der Heil- und Pflegeanstalten in Niederdonau beim Pfarrer und Senior von Lutzmannsburg Karl Fiedler für seine gute Mitarbeit in der Sippenforschung:
„Sehr geehrter Herr Pfarrer!
Herzlichen Dank für ihre Arbeit in der Sippenforschung der X. Es war für mich eine grosse Freude, eine Sippe so schön ausgearbeitet zu sehen und vor allem wieder die erbbiologische Seite dieser Sippe ganz besonders behandelt zu finden. Es drängt mich daher, ihnen meinen besonderen Dank auszusprechen und ich bin froh, einen solch guten Mitarbeiter gefunden zu haben.
Darf ich Sie, sehr geehrter Herr Pfarrer, nunmehr noch um weitere Unterstützung in dieser Forschungsarbeit bitten. Es würde mich z.B.: interessieren, ob Y., der mit Z. verheiratet ist, Kinder hat. Wenn ja, wie diese heissen, wie alt, wann und wo geboren.
Sehr wichtig wäre auch, ob Y., der Bruder der Mutter des Prüflings Kinder hat, wenn ja, dann erbitte ich mir auch die Geburts- und Namensangabe. Da dieser Y. Veitstanz hatte, er starb im Güntherspital als Vagabund – wäre es auch interessant, ob eventuell Kinder auch den Veitstanz geerbt haben oder sonstige Auffälligkeiten zeigen. Dasselbe wäre auch von W., die auch eine Schwester der Mutter des Prüflings ist und auch an Veitstanz leidet, wissenswert. […]
Sehr geehrte Herr Pfarrer! Nehmen Sie mir meine Unbescheidenheit nicht übel. Aber die Sippe ist so interessant, das Forschungsgebiet für mich so reich, dass es wirklich schade wäre, diese Sippe nicht vollständig zu erforschen […]
Ich danke Ihnen nochmals für ihre tiefeindringende Forschungsarbeit in diesem Falle und bitte Sie herzlichst, mir auch weiter ein guter Mitarbeiter zu sein. [..]“
(Herbert Brettl und Michael Hess: NS-Euthanasie im Burgenland. „In eine der Direktion nicht genannte Anstalt übersetzt“ Begleitband zur Ausstellung. Wissenschaftliche Arbeiten aus dem Burgenland (WAB) Band 136. Eisenstadt 2010. S. 23)
Im Zuge der NS-Euthanasie wurden wenig später drei der beforschten Familienmitglieder in Hartheim bzw. Gugging ermordet.
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