Am Ende des Ersten Weltkrieges brach die Österreichisch-Ungarische Monarchie zusammen. Das „Selbstbestimmungsrecht der Völker“, vom amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson verkündet, wurde auch von großen Teilen der Bevölkerung Deutsch-Westungarns aufgegriffen.
Schon Anfang November 1918, bevor Österreich seinen Anspruch auf Deutschwestungarn anmeldete, hatte sich im Lande selbst eine Bewegung gebildet, die eine echte Autonomie bzw. Angliederung an Österreich forderte.
Am 11. November 1918, am Tag als Kaiser Karl I. auf die Staatsgeschäfte in Österreich verzichtete, kam es in St. Margarethen zu einer Volksversammlung. Der dort ansässige Kaufmann Michael Unger brachte seinen Willen zum Anschluss an Österreich dar: „[…] denn davon hänge die Existenz und Zukunft dieser und der nachfolgenden Generationen ab, wie auch in der Vergangenheit nur die engen wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen zum Nachbarland den Wohlstand in den Städten und Dörfern Westungarns gebracht hätten.” Zudem wurde ein Aufruf formuliert, der als Flugblatt verbreitet wurde: „liebwerte Volksgenossen in Westungarn! Folget unserem Beispiel, gründet in jeder Gemeinde einen Volksrat und vergesset nicht, daß ihr Deutsche seid. Und Ihr kroatischen Brüder in Westungarn, schließet Euch auch unserer Bewegung an, denn wir kämpfen für unser Recht und unsere Existenz! – Das Präsidium: Mathias Kugler (Gastwirt und Grundbesitzer), Anton Pascher (Zimmermeister und Wirtschaftsbesitzer) und Michael Unger (Kaufmann und Wirtschaftsbesitzer)!“
(Schlag Gerald, Aus Trümmern geboren … Burgenland 1918-1921, WAB Band 106. Eisenstadt 2001, S.121)
Der Beitrag ist sehr interessant zu lesen, es ist sehr spannend zu erfahren wie die diversen Gemeinden auf den Anschluss reagiert haben. Ich persönlich finde solche Hintergrundinformationen sehr interessant umso auch zu erfahren wie unterschiedlich die Meinungen damals waren.
Denn im Gegensatz zu St. Margarethen war die Meinung, über den Anschluss an Österreich, in der angrenzenden Freistadt Rust, gespalten wie man sehr gut nachlesen kann in der Chronik von Rust, von Heribert Artinger (S. 74-81).
Anfangs war man gegen den Anschluss an Österreich und es kam zu einigen Protestversammlungen in Ödenburg.
Schließlich musste man sich aber damit abfinden, dass ein Anschluss wichtig für die Wirtschaft ist.
Man fürchtete aber trotzdem die Autonomie von Rust und die Bevölkerung wollte eine königliche Freistadt bleiben.
In der Chronik von Rust kann man folgendes passendes Zitat finden:
“Als Regierungskomissär in Rust habe ich die Ueberzeugung gewonnen, dass die Bevölkerung dieser Stadt in ihrer weitüberwiegenden Mehrheit den Anschluss an Österreich mit Freuden begrüsst hat und schon aus rein wirtschaftlichen Gründen (bessere Verwertung des Weines) bei Österreich verbleiben will. Die Bevölkerung von Rust legt aber grossen Wert auf die erworbenen historischen Rechte der Stadt, insbesondere auf die Autonomie und den Namen “Königliche Freistadt”….[sic!] (Dr. Krepczik in Chronik der Freistadt Rust von Heribert Artinger: S.80)
Kommentar von ZB
Nach dem Ende des 1. Weltkrieges und dem dadurch entstandenen Zerfall der Monarchie, wurden Österreich und Ungarn getrennt. Die Gemeinde Tadten, blieb so wie alle anderen Dörfer Deutschwestungarns zunächst bei Ungarn. Die Mehrheit der Bevölkerung von Tadten forderte wie viele andere Dörfer auch, einerseits eine Autonomie, aber andererseits entwickelte sich auch eine Bewegung für den Anschluss an Deutschösterreich. Nachdem Westungarn, das nun Burgenland genannt wurde, im September 1919 von den Siegermächten des 1. Weltkrieges, eigentlich Österreich zugesprochen wurde, gab es aber Widerstand von der ungarischen Regierung. Im August 1921 rückten österreichische Gendarmen in der Gemeinde Tadten ein, aber diese wurden durch ungarische Freischärler wieder zurückgetrieben. Am 13. Oktober 1921 wurde der Widerstand Ungarns belohnt, da nicht das gesamte Gebiet des ehemaligen Deutschwestungarns Österreich zugesprochen wurde. Über die genaue Grenzziehung der umstrittenen Gemeineden, zu denen auch Tadten gehörte, sollte nun eine internationale Grenzkommission entscheiden.
Ein Zeitzeuge berichtete darüber: „Im Oktober 1921 war die Bevölkerung von Tadten aufgerufen, sich um 10:00 Uhr beim Gemeindeamt einzufinden, da Vertreter der Entente kommen und dabei Entscheidungen fällen werden, ob Tadten zu Österreich kommt oder bei Ungarn bleibt. Als alle Leute beisammen waren, kam ein Mann. Er sagte zu uns: „Die Entente kommt aus Andau. Wenn das Auto mit der österreichischen Fahne vorbeifährt, dann müsst ihr alle „Hoch Österreich rufen!““ Sie fuhren mit Autos vor die Gemeinde. […] Wir riefen alle, so wie es der Mann sagte, „Hoch Österreich!“ Beim Gemeindeamt stiegen sie aus. Sie waren aber nicht länger als 10 Minuten drinnen, dann fuhren sie weiter. Was in der Gemeinde besprochen wurde, haben wir nicht erfahren, aber nach einigen Wochen hörten wir schon, dass wir zu Österreich gekommen waren. Es gab damals auch einige Männer in unserem Dorf, die wollten, dass unser Land ungarisch bleiben sollte. Sie wollten dem Volk einreden, Österreich sie ein Industriestaat, da gäbe es kein Brot, während aber Ungarn ein Agrarland sei, wo es immer Brot genug gäbe.“
Am 15. November 1921 wurde Tadten tatsächlich Österreich zugesprochen. Die internationale Grenzkommission entschied im Oktober 1921, dass die deutschen Dörfer des östlichen Heidebodens, wie etwa St. Peter und auch St. Johann, bei Ungarn bleiben sollen. Diese Grenzziehung hat bis heute Gültigkeit.
(vgl. Gemeinde Tadten (2006): Chronik Tadten – Menschen und Geschichten (Kapitel „Tadten von 1900-1945“))
Nach der Verkündung der “14 Punkte” am 18. Jänner 1918 durch den amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson wurde nicht nur wie in anderen Gemeinden auf die Initiative des deutschen Volksrates in Deutschwestungarn, sondern auch in St. Georgen am Leithagebirge (heute Ortsteil von Eisenstadt) eine Volksabstimmung abgehalten.
Dazu habe ich hier einige Zeitungsausschnitte aus der Grenzpost 1918 in der St. Georgener Chronik gefunden:
In der Gernzpost schrieb man am 01.12.1918 auf Seite 1 folgendes: “Die deutsche Bewegung im Kismartoner (Eisenstädter) Bezirk greift immer mehr um sich. Die Stadt Kismarton hat sich nämlich für das Verbleiben bei Ungarn ausgesprochen; dahingegen erklärte sich die Mehrheit von St. Georgen, Purbach und Hornstein für einen Anschluß an Österreich.”
“Am 10. November 1918 versuchte die hiesige Gemeindevorstehung in einer Volksversammlung einen Nationalrat zu gründen. Weil aber unsere Bevölkerung der Gemeindevorstehung kein Vertrauen entgegenbringt, mußte die Versammlung aufgelöst werden, ohne einen Nationalrat gegründet zu haben, …
Nun vernehmen wir, daß zu hochwichtigen Versammlung in Ödenburg am 11. Dezember unsere Gemeindevertretung zwei entsendete, die von der Bevölkerung kein Mandat haben. Die Delegierten unseres Volksrates sind Rudolf Zechmeister und Matthias Klauber.” (Aus der Grenzpost vom 17.12.1918, S.1)
[…]
“…Am 17.12.1918 wurde dann in einer von der ganzen Gemeinde besuchten Versammlung ohne behördlichem `Gängelband´ ein Volksrat gewählt. …wurde nachstehender Beschluß gefasst: Auf Grund des Selbstbestimmungsrechts werden wir uns denjenigen anschließen, an deren Seite das Heil unseres Volkes und unserer deutschen Sprache am besten gesichert erscheint. Zur Wahrung unserer Interessen bilden wir einen Volksrat mit folgenden Gliedern: Präses Leopold Lichtscheidl, stellvertretender Präses Johann Zechmeister, Schriftführer Matthias Hahnekamp, Beiräte: Leopold Zechmeister, Ludwig Hahnekamp, Mathias Hahnekamp, Johann Hahnekamp, Michael Lichtscheidl, Christian Lichtscheidl, Leopold Nährer, Matthias Zoffmann, Josef Leeb, Josef Moser, Johann Karacsony, Mathias Tinhof und Stefan Tinhof. (vom 17.12.1918, S.1f)
Rudolf Zechmeister, Lange Zeile, berichtete in einer am 16.12.1918 einberufenen Gemeindeversammlung in St. Georgen über diese Versammlung der deutschen und kroatischen Gemeinden Ungarns. Dieses Programm lautete: “Deutsch in Schule und Amt mit gänzlicher Ausschaltung des Ungarischen. …Wir hegen nicht den geringsten Haß gegen unsere Brüder ungarischer Zunge, solange aber nicht auch sie in ihren Volkschulen die deutsche oder irgend eine andere Sprache der ungarischen Nationalitäten einführen, ….
Nachdem noch mehrere Anfragen beantworteten wurden, gingen die Versammelten unter Hochrufen auf den Volksrat auseinander.” (Aus der Grenzpost vom 28.12.1918, S.1f)
Hier noch eine Anekdote aus der Zeit der Diskussion des Anschlusses des Burgenlandes an Österreich: Als es im Dorf hieß, dass auch St. Georgen zu Österreich kommen werde, sollen die beiden Zechmeister-Betschwestern, Lange Zeile, beim Dechant Vorsprache gehalten uns sich darüber beklagt haben, dass sie zwar verstehen würden, wie sie selber nach Österreich hinüber kämen, es ihnen aber völlig unklar wäre, wie die “Kreiner” (Anmerkung: eine Weingartenried in St. Georgen) nach Österreich kommen könnten.
(Quelle: St. Georgen – Geschichte und Geschichten Dorfchronik, Herausgeber: Dorfblick St. Georgen – Verein zur Aufarbeitung des dörflichen Lebens gestern, heute und morgen; Seite 95f; September 2000, St. Georgen)