Die Nationalsozialisten aus Wallern kehrten in der Nacht des 11. März nach der Machtübernahme in Eisenstadt jubelnd in ihren Heimatort zurück. Am Bahnhof angekommen, stürmten die NS-Männer das örtliche Gemeindeamt, warfen die Fensterscheiben ein, durchsuchten die Amtsräume und pflanzten die NS-Fahne auf. Die abgesetzten ehemaligen Ortsverantwortlichen wurden verhaftet. In den folgenden Tagen war im Ort die Begeisterung groß. Aufmärsche und Fackelzüge unter Anwesenheit großer Bevölkerungsteile wurden feierlich begangen. Bei der „Volksabstimmung“ am 10. April 1938 stimmten alle Wahlberechtigten mit „Ja“.
Sieben Jahre später war die Begeisterung verflogen. Krieg, Entbehrungen, gefallene Angehörige, Niederlagen und der drohende Einmarsch der Roten Armee hatten die Zustimmung zum NS-System schwinden lassen. Als nun im Dezember 1944 die Bevölkerung evakuiert werden sollte, stellten sich viele Bewohner gegen die NS-Herrscher. Dies ist aus einem Brief einer Wallenerin an ihren Bruder an der Front zu entnehmen:
„Wallern, 18.XII.1944
Liebstes Brüderlein!
Nach längerer Zeit haben wir heute wieder einen lieben Brief von Dir erhalten, und zwar vom 30.XI. Hast uns damit wieder eine große Freude gemacht. Du schreibst ja so wenig, dein vorletzter Brief war vom 18.XI. Siehst Du jetzt ein, wie wenig Du schreibst?! Dann will ich Dir noch kurz mitteilen, dass dein Brief vom 30.XI. von der Feldpostprüfstelle geöffnet und geprüft war. Es war ja nichts dahinter, blos wo Du uns geschrieben hast, wo du zirka bist, das war weggestrichen.[…] Wie es zu Hause aussieht, dass möchte ich Dir liebes Brüderlein am liebsten gar nicht schreiben. Es sieht gar ernst und traurig aus. Seit einigen Tagen spricht man überhaupt von nichts anderen als dass wir unser Haus und Hof verlassen müssen und von unserer Heimat fort müssen, denn diese wird zum Kriegsgebiet gemacht. Man spricht es nicht nur, es ist Tatsache! Von uns aus bis Bruck hinauf und nach Eisenstadt hinüber werden die ganzen Ortschaften evaguiert. [sic!] Du hast keine Ahnung, wie die Bevölkerung dagegen ist. Es ist auch leicht zu verstehen. Wohin jetzt mitten im Winter?! Gestern war Gauleiter Juri [sic!] und Kreisleiter usw. hier in Wallern und hielten eine Rede. Was die erlebten, das war noch nie da. Das Gegenteil von 1938. Sie wurden ausgelacht und ausgepfiffen. Kannst du Dir das vorstellen? So war es in jeder Gemeinde, in Frauenkirchen war es am ärgsten. Da lies man sie überhaupt nicht zu Wort kommen. Wir sollen uns das Notwendigste auf einen Wagen packen und fort fahren, jetzt mitten im Winter. Was ist denn das Notwendigste??! Und wohin? Wo wäre denn diese Plätzchen, wo unsere Feinde nicht hinkommen könnten? Denn kommen sie heute nicht, so kommen sie eben morgen auch dahin. Wir haben uns fest entschlossen, wir gehen nicht von zu Hause, mag kommen was will, wir wollen lieber zu Hause sterben als in der fremde vor Kälte und Hunger elend zugrunde gehen. Ja liebes Brüderlein, dies ist alles sehr traurig aber sehr wahr. Der liebe Gott im Himmel möge dieses Unheil von uns abwenden. Mache Dir aber keine Sorge, es hilft ja alles nichts. Wie es auch kommen mag Brüderlein, es kommt ja von oben. Für diesmal will ich nun wieder schliessen.
Bleibe gesund und schreibe nur öfters!
Recht liebe Grüsse von uns allen.
Deine Schwester Julianna
P.S.: Hast du Deine Weihnachtspäckchen schon erhalten?“
(Privatsammlung, Edith Unger, Halbturn – Danke für die Überlassung der Quelle)
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