Zur Stiftung von Identität brauchen Länder Symbole. Neben einer Fahne, einer Hymne und einem Wappen ist auch ein nationaler bzw. regionaler Feiertag mit einem Landespatron ein Zeichen von Zugehörigkeit und vermittelt ein Wir-Gefühl. Auch das neue Bundesland Burgenland brauchte dringend diese Symbole, um sich von der gemeinsamen Geschichte mit Ungarn abzugrenzen und sich vor einer negativen Propaganda zu schützen. Aus diesem Grund sprach sich die Politik gegen die Beibehaltung des ungarischen St. Stephans-Tages als Landesfeiertag aus und begab sich auf die Suche nach einem geeigneten Landesheiligen.

Martin

Heiliger Martin

Am 10. Dezember 1924 wurde per Dekret der Heilige Martin als Landespatron des Burgenlandes bestimmt, dessen Fest im Lande nunmehr am 11. November als Landesfeiertag gefeiert werden sollte. Die evangelische Amtskirche in Österreich hatte Bedenken bezüglich der Proklamierung eines „katholisch-kirchlichen Feiertages“ zum Landesfeiertag.
Die Landesamtsdirektion legte 1926 ihren Standpunkt nochmals dar:
„Bekanntlich wurde früher auf dem Boden des heutigen Burgenlandes als einem Teil des Königreiches Ungarn der Tag des Königs Stefan, des heiligen (20. August), festlich begangen, dieser Tag galt als Nationalfeiertag und wurde […] von allen Konfessionen als solcher gehalten. Die röm. kath. Geistlichkeit schien nun nach der Angliederung des Burgenlandes den Stefanstag unter dem Deckmantel ritueller Zeremonien mit einer gewissen Spitze gegen Österreich demonstrativ und propagandistisch ausnützen zu wollen. Dem musste Einhalt geboten werden, der Martinstag soll nur das Gegengewicht zum Stefanstag sein, denn der hl. Martin war der Patron jener fränkischen Heere, die schon um die Wende des 8. Jahrhunderts vom burgenländischen Boden Besitz ergriffen und die germanische Besiedelung des Landes einleiten halfen, er war Arier [sic!] und Christ, wie wir alle [sic!], und kann von der röm. Kath. Kirche niemals gegen eine andere Glaubensgemeinschaft ausgespielt werden. Während der 12. November Staatsfeiertag für die gesamte Republik Österreich ist, soll der 11. November als Landesfeiertag gelten, und zwar ganz besonders für jene, die sich freudig und frei zu einem österreichischen Burgenland bekennen. Dass der konfessionelle Einschlag bei der Einführung des Landesfeiertages vollkommen fehlt, beweist der Umstand, dass z.B. vonseiten der mosaischen Glaubensgemeinschaft bisher keine Beschwerde und kein Widerstreben zutage trat.“
(Quelle: Martin Krenn. „… In weite, bisher davon unberührte Kreise“. Studien zur burgenländischen Kulturpolitik I 1921-1938. In: Burgenländische Forschungen 106. Eisenstadt 2014. S. 170-172)