Ein beträchtlicher Teil der Arbeitskräfte in den Textilfabriken in der Region um Wiener Neustadt stammte aus dem benachbarten Westungarn. Unter den Wanderarbeitern waren viele Frauen und auch Kinder, die ebenso zum Lebensunterhalt der Familien beizutragen hatten. Durch die Gewerbeordnung von 1859 wurde die Kinderarbeit, insbesondere in den größeren Betrieben, eingeschränkt. So galt für Kinder unter 10 Jahren ein generelles Arbeitsverbot und Kinder bis zu 12 Jahren durften nur mit Bewilligung des Gemeindevorstandes nach einem Ansuchen des Vaters in einer Fabrik beschäftigt werden.
Obwohl die 1871 in Draßburg geborene Rosalia Probst das Mindestalter noch nicht erreicht hatte, begann sie mit 9 ½ Jahren als Spulerin in der Baumwollspinnerei und Zwirnerei Seutter & Co in Eggendorf bei Wiener Neustadt zu arbeiten. Wie auch viele andere Jugendliche bzw. Kinder aus Draßburg machte sie sich am Sonntagabend mit einem Laib Brot und einem Häferl Schmalz im Rucksack zu Fuß auf den 23 km langen Weg zur Fabrik nach Eggendorf. Am Samstagnachmittag kehrte sie jede Woche wieder in ihre Heimatgemeinde, in der ihre Mutter schon auf ein wenig Bargeld wartete, zurück. Mit kleinen Unterbrechungen wird sie bis 1928 beschäftigt sein und später mit ihrem Ehemann Josef Klikovits, der stammte ebenso aus Draßburg und war viele Jahre als Fabriksmaurer auch bei der Fa. Seutter tätig, bis in die 1950er Jahre eine kleine Dienstwohnung bewohnen. 1885 musste sie auf Grund eines technischen Gebrechens kurz den Betrieb verlassen. Darüber berichtet das Dienstzeugnis:
„Zeugnis
Mathias Probst (Taglöhner) und dessen Schwester Rosalia (Spulerin) haben in unterzeichneter Fabrik vom 4. März 1881 bis 26. Oktober 1885 treu fleissig und ordentlich gearbeitet und wurden heute wegen Zusammenbruch unseres Haupttriebwerkes am 26 ds. und in folge dessen totalen Stillstandes der Fabrik für mehrere Monate unter Auszahlung eines dies. wöchentlichen und 14 tägigen Lohnes gesund entlassen.
Eggendorf, 31. Oktober 1885.“
(Danke an Mag. Gottfried Klikovits, Wien, für die Überlassung der Quelle und die Informationen)
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