Zu den größten Betrieben Westungarns zählte die 1888 in Neufeld an der Leitha gegründete „Erste Ungarische Jute-Spinnerei und Weberei“ (Jutefabrik), die zeitweise bis zu 2000 Personen beschäftigte. An die Fabrik war auch eine Werkskolonie angeschlossen.
Werksdirektor Paul Giradoni beschreibt diese 1890 folgendermaßen: „[…] In den Schlafsälen, welche ein Gebäude für sich einnehmen, sind nur weibliche Arbeiter untergebracht, und zwar solche, die aus den umliegenden Ortschaften in Ungarn in unserer Fabrik Beschäftigung finden, die ganze Woche hier verbleiben, und nur Sonntags in ihre Heimatsorte gehen. Die Schlafsäle sind geräumig und gesund angelegt, stehen unter der Aufsicht eines tüchtigen Wärterpersonals, welches für die Reinlichkeit, Lüftung, Beheizung und Beleuchtung zu sorgen hat. Da diese Arbeiter ihre Verpflegung selbst besorgen, ist im Schlafsaal-Gebäude eine große Küche nebst Speisesälen untergebracht und beabsichtigt die Direktion im Laufe dieses Jahres eine Bade-Einrichtung herzustellen. Auch sind abgesondert von den Schlafsälen zwei Krankenzimmer und ein Behandlungsraum eingerichtet.
Die Fabrik beschäftigt 1037 Arbeiter, darunter 367 männliche und 670 weibliche, wovon 807 ungarische Staatsbürger sind; die Schlafsäle werden durchschnittlich von 300 Arbeitern benützt. Die Arbeitszeit ist wöchentlich 65 Stunden und der Verdienst per Kopf und Woche 5 fl.
Obwohl unser Etablissement schon Ende Oktober 1889 in Betrieb gesetzt wurde, so konnten wir erst gegen Mitte des Jahres eine volle Leistung erzielen, da wir für unsere Industrie die ganze Arbeiterschaft erst erziehen und schulen mussten. Wir müssen aber heute anerkennen, dass die Bevölkerung unseres Komitates für unsere Industrie außerordentlich verwendbar, sehr tüchtig und fleißig ist.
Wir hatten im Laufe des verflossenen Betriebsjahres zwar auch mit der Arbeiterbewegung zu kämpfen und wurden unsere Leute durch die über der Grenze beschäftigten Arbeiter beeinflusst, Forderungen zu stellen, deren Erfüllung unser Unternehmen in Frage gestellt hätte. Die zur Schulung der hiesigen Bevölkerung, aus Böhmen hierher gezogenen Arbeiter, haben sich hauptsächlich an die Spitze der Bewegung gestellt und mussten wir am 1. Mai unseren Betrieb einstellen; dem energischen Eingreifen der Behörden haben wir es zu verdanken, dass die ganze Streikbewegung einen ruhigen Verlauf nahm und binnen wenigen Tagen ohne jede Nachgiebigkeit von unserer Seite ihr Ende erreichte.[…]”
(Aus: Hans Hahnenkamp. Die burgenländische Industrie. 2. Teil 1885-1921. Großpetersdorf 1995. S.375)
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