Ab 1944 überflogen feindliche Bomberverbände verstärkt das Land. Der strategische Luftkrieg blieb dem Burgenland wegen der kaum vorhandenen Kriegsindustrie weitgehend erspart, da die Ziele der feindlichen Bomber vielmehr die Industrie- und Verkehrsanlagen im Großraum Wien und besonders die Rüstungsindustrie im Raum Wiener Neustadt waren. Güssing, Neudörfl und andere Orte wurden wegen ihrer Verkehrsverbindungen bzw. Rüstungsbetriebe 1944/45 bombardiert.
Am 10. Mai 1944 wurde Eisenstadt Ziel eines Fliegerangriffes, wobei im Bereich Pfarrgasse, Hauptstraße, Haydngasse und Oberberg 20 Häuser zerstört, zahlreiche Menschen verletzt und 42 getötet wurden. Unter den Toten waren auch zwei Schüler des Gymnasiums Eisenstadt. Der Anstaltsleiter berichtete über diesen tragischen Vorfall:
„Zu Beginn der 4. Unterrichtsstunde, also um 10 h 45, wurde durch die Sirene Fliegeralarm gegeben. Der Schüler der 4a Klasse Hotwagner Franz, der sich in der 3. Unterrichtsstunde den 2. Schulwart vertrat, der sich auf dem täglichen Postgang befand […] hörte durch die offene Eingangstür die Sirene und läutete Alarm. […] Sofort wurden die Schüler klassenweise von den Lehrern, die in der vorhergegangenen Stunde Unterricht hatten – wie das für solche Fälle eigens festgesetzt ist – in den Luftschutzkeller der Anstalt, also in den ausgedehnten Kellerräumen des Schülerheimes geführt und dort beaufsichtigt. Hier blieben Schüler und Lehrer bis zur Entwarnung (13h 45) Nicht im Keller waren die Schüler, die in der näheren Umgebung der Schule wohnen, und die, mit schriftlicher Einwilligung der Eltern, eigens vom Aufsuchendes gemeinsamen Luftschutzraumes der Schule befreit sind, ferner die nachgewiesenermaßen bei der Alarmtruppe der HJ (Polizeistation) und bei der Feuerwehr oder dem DRK (Deutsche Rote Kreuz- Anmerkung des Verfassers) eingeteilt sind. […]
Von der DRK-Station, die sich ebenso wie die Freiwillige Feuerwehr unmittelbar neben dem Eingange in den Luftschutzkeller befindet, wurden gleich zu Beginn des Alarms wegen Mangel an Personal 4 Schüler der 7. Klasse zu Bergungs- und Rettungsarbeiten angefordert. Diese begaben sich nach dem ersten dem schweren Bombardement mit Tragbaren in die Stadt und halfen verwundete und verschüttete bergen, unter anderen die tote Mutter zweier Schüler der Anstalt.
Von den Schülern, die sich im Luftschutzraum der Anstalt aufhielten […] kam niemand zu Schaden. Es gab im Luftschutzkeller keine „Panikstimmung“, wenn auch die kleineren Schüler stärker beunruhigt waren und zum Teil weinten. […]
Umso bedauerlicher ist es, daß 2 Schüler infolge Nichtbefolgung der allen Schülern streng eingeschärften Verhaltungsmaßnahmen bei Fliegerangriffen sich unbemerkt ins Freie flüchteten und dort durch eine Splitterbombe getötet wurden. Es sind dies der eingangs erwähnte Schüler der 4a Klasse Hotwagner Franz und der Schüler der 5. Klasse Gradiger Hildebert. Hotwagner war Sonntags zuvor daheim bei seinen Eltern gewesen und tragischerweise hatte ihm sein Vater, wie dieser selbst aussagte, den Rat erteilt, bei Fliegerangriffen nicht den Luftschutzkeller sondern das Freie aufzusuchen. Hotwagner hat, wie Schüler berichteten, Gradinger verleitet, mit ihm in den Wald zu laufen und hat auch anderer Kameraden dazu aufgefordert. Als beim Mittagessen (1/2 3 Uhr) die beiden Zöglinge fehlten, wurden vom Heimleiter 2 Schüler der 7. Klasse auf die Suche nach den beiden Vermissten in den Wald geschickt, was zur Auffindung der beiden Verunglückten führte. Die armen Opfer wurden sodann auf Geheiß des Heimeiters, der selbst die Unglücksstätte aufsuchte, von Kameraden auf Tragbaren gegen 16 Uhr ins hiesige Spital der Barmherzigen Brüder getragen.
Das in aller Eile im Studierzimmer der 1. Klasse im Heim eingerichtete Notlazarett brauchte glücklicherweise nicht in Anspruch genommen werden.[…] Einige leichte Bomben fielen in unmittelbarer Nähe der Anstalt. 2 Schüler (ihre Mutter kam ums Leben) und 2 Schülerinnen der Anstalt waren mehr oder weniger verschüttet, mehrere Schüler entgingen dem sicheren Tod nur dadurch, daß sie noch nicht aus der Schule nach Hause zurückgekehrt waren. […]
In Anbetracht der Größe der Katastrophe, die Soforthilfe in höchstem Ausmaß von jeder Seite notwendig machte, sowie in Anbetracht der großen seelischen Erschütterung, der viele Schüler der Anstalt ausgesetzt waren und die einen ernstlichen Unterrichtsbetrieb einfach unmöglich gemacht hätte, hatte ich die Schule für den Rest der Woche geschlossen.
Nachtrag: Die im Schulgarten begonnen Splittergräben sind noch immer nicht vollendet.
Der Anstaltsleiter“
(Archiv des Gymnasiums Kurzwiese, Eisenstadt)
Hinterlasse einen Kommentar