Durch den Einmarsch der Roten Armee wurde das Burgenland von der siebenjährigen nationalsozialistischen Diktatur befreit. Da zahlreiche Sowjetsoldaten plünderten und vergewaltigten, sah die Mehrheit der burgenländischen Bevölkerung die Rote Armee nicht als ihre Befreier an, sondern nur als Besatzungsmacht. Befreiungsfeiern gab es während der Besatzungszeit dennoch im Burgenland, wobei diese zumeist konstruiert erschienen.
Bericht über eine Feier in Oberpullendorf: „Anlässlich des 32-jährigen Bestandes der Roten Armee fand am 23. Feber 1950 beim Heldenfriedhof der Gefallenen der Roten Armee in Oberpullendorf eine Feier der russischen Kommandantur statt. An dieser Feier nahmen teil, die gesamte Bezirkshauptmannschaft, die Gendarmerie, die Gemeindevertretung, die Vertreter der drei demokratischen Parteien, die Lehrerschaft von Oberpullendorf, sowie die Schulkinder.
Mit den Klängen der russischen Hymne und der österr. Bundeshymne wurde die Feier begonnen. Hierauf begrüßte der Bürgermeister von Oberpullendorf die Anwesenden und erteilte dem Herrn Bezirkshauptmann, Hofrat Dr. Eugen Kollwentz das Wort. Dieser gibt Bericht über das Entstehen und die Entwicklung der Roten Armee sowie er auch den Sieg dieser Armee in den beiden Weltkriegen hervorhob. Anschließend sprach der Stadtkommandant in russischer Sprache, was der Dolmetsch hierauf in deutscher Sprache wiedergab. Er betonte vor allem den friedlichen Sinn der Roten Armee und dankte allen Anwesenden für ihr Erscheinen. Sodann sprachen die Vertreter der drei demokratischen Parteien und brachten ihren Dank an die Rote Armee zum Ausbruch, der ihr für die tapfere Befreiung vom Joche des Nationalsozialismus gebührt. Zur Ehre der gefallenen Helden der Roten Armee legten während der Klänge der russischen Hymne und der österr. Bundeshymne der Stadtkommandant, sowie der Herr Bezirkshauptmann, die Gemeindevertreter Oberpullendorfs und die Vertreter der drei demokratischen Parteien Kränze nieder. Mit der burgenländischen Landeshymne wurde die Feier beendet.“
(Burgenländisches Landesarchiv. Regierungsarchiv. Presse XII/4. 1951. 1-75. Zl. 5-1951)
Es ist wahrscheinlich kein Geheimnis, dass die Burgenländer und Burgenländerinnen im Jahr 1945, nachdem Österreich von den Besatzungsmächten befreit worden war, nicht besonders glücklich über den Einzug sowjetischer Soldaten und Offiziere in ihren Heimatgemeinden, waren. Spricht man mit Zeitzeugen, so wird klar, dass für die teils traumatisierten Menschen die Zeit des Krieges zwar nun offiziell vorbei war, „befreit“ fühlten sich allerdings die wenigsten.
In dem Beitrag „Dank den Befreiern?“, der am 11. Jänner 2017 auf dem Burgenland History Blog online ging, wird der Leser oder die Leserin dazu angeregt, die Geschehnisse betreffend der Roten Armee in der Nachkriegszeit, besonders kritisch zu betrachten. Obwohl der Unmut in der Bevölkerung oft überwog, wurden in den größeren Gemeinden Feste gefeiert, wie zum Beispiel eine Feier zum 32-jährigen Bestand der Roten Armee am 23.Feber 1950 in Oberpullendorf. Mit unserem heutigem Wissen über Vergewaltigungen, Plünderungen und andere Missetaten, die die „Befreier“ verschuldet haben sollen, kann man sich kaum vorstellen, dass auf so einem Fest wie diesem eine ausgelassene Stimmung hätte herrschen können. Ob die Bezirkshauptmannschaft, die Gendarmerie, Vertreter von Gemeinde und Parteien tatsächlich freiwillig und versöhnlich gestimmt bei diesen Feiern zu Ehren der oftmals ungeliebten Russen aufkreuzten, bleibt außerdem fraglich. Man könnte sogar sagen, dass die geladenen Gäste, unter denen auch Lehrer und Schulkinder waren, möglicherweise gezwungen waren, „gute Miene zum bösem Spiel“ zu machen. Der damalige Bezirkshauptmann Hofrat Dr. Eugen Kollwentz hielt, im Anschluss an das Einspielen der österreichischen Bundeshymne und natürlich der russischen Hymne, eine Laudatio für die Rote Armee, in der besonders die Siege in den Weltkriegen hervorgehoben wurde. Und das alles mit dem Wissen über Ängste, Einschränkungen und die prekäre Situation rund um Landwirtschaft und Versorgung, mit denen die Burgenländer und Burgenländerinnen in den Jahren nach der „Befreiung“ zu kämpfen hatten!
Eines kann man mit Sicherheit behaupten: in keiner anderen Besatzungszone herrschte trotz zahlreicher Verbote, die teilweise mit harten Strafen für die russischen Soldaten verbunden waren, eine derartige Angst und Ungerechtigkeit.
Dazu ein Beispiel aus meinem direkten Umfeld: In dem Haus in Drassburg in dem meine Oma und mein Opa heute wohnen und in dem auch bis vor einem Jahr noch meine Urlioma mit 91 Jahren lebte, „logierte“ am Beginn der Nachkriegszeit ein Russe. In meiner Heimatgemeinde waren etliche sowjetische Soldaten untergebracht – die „besseren“, wie zum Beispiel Offiziere und Kommandanten im Schloss Drassburg, und Soldaten wurden bei einfachen Leuten, wie bei meiner Ur-uroma einquartiert. Diese benahmen sich oftmals rüpelhaft und hatten keinerlei Respekt und Achtung vor den Drassburgern. Auch meine Ur-uroma hatte es nicht einfach mit „ihrem“ Russen und einmal soll dieser, so hat es mir meine Urli erzählt, schamlos in die Waschlavur von meiner Ur-uromama gespuckt haben! Ihr, der der sowjetische Rüpel schon lange zuwieder war, grauste es und sie wollte das ekelhafte und schamlose Benehmen des „Gastes“ nicht länger tolerieren. Meine resolute Ur-uroma ging, nachdem sie als Antwort auf ihren Einspruch und die Empörung eine Pistole ins Gesicht gehalten bekommen hatte, zum russischen Ortskommandanten ins Schloss und berichtete ihm von der direkten Morddrohung. Sie hatte mehr Glück als ein Anderer, und der flegelhafte junge Soldat, der glaubte er wäre der Herr im Haus, hatte die Rechnung wohl ohne meine Ur-uroma gemacht und wurde schließlich versetzt.
Auch ihr Schwiegersohn, mein Uropa, der in seinen Erzählungen ebenfalls selten ein gutes Haar an den Russen verlor, hatte mehr Glück als Verstand, wie meine Urli später oft sagte. Mein Uropa, der während der Besatzungszeit gerade um die 20 Jahre alt war, besuchte nämlich unerlaubterweise einen Ball der sowjetischen Truppen im Schloss Drassburg. Er und ein anderer junger Kamerad verkleideten sich als Frauen, um mitfeiern zu können. Angezogen mit dem Dirndl seiner Schwester, tanzten die betrunkenen Soldaten mit meinem feschen Uropa. Der hatte nur leider die Rechnung ohne einen jungen Russen gemacht, der anscheinend besonders schwer verliebt gewesen sein muss. Der Soldat jagte ihm nach und mein Opa, der Gott sei Dank mit einem schnellen Sprung über die Schlossmauer dem liebestollen Soldaten entkommen konnte, hatte Glück im Unglück. Hätte ihn der vernarrte Russe erwischt und bald gemerkt dass er gar keine schöne Burgenländerin zum Ziel seiner Begierde gemacht hatte, hätte seine Schwester ihr Dirndl wohl nicht mehr bekommen.
Obwohl die sowjetischen Truppen als die Befreier gekommen waren, wurden sie von den wenigsten BurgenländerInnen als solche erlebt. Keine andere Zone war dermaßen gefürchtet und niemand sonst blieb uns gemeinhin gesagt, als Armee der Vergewaltiger und Plünderer in Erinnerung. Man darf die vielen Schandtaten, die diese Besatzungsmacht zu verschulden hat auf keinen Fall rechtfertigen, relativieren sollte man sie allerdings: diese jungen Männer, die mehr Kameraden als jede andere Kriegsmacht auf dem Schlachtfeld und in der Zivilbevölkerung verloren hatten, wurden gedrillt alles „nazideutsche“ zu vernichten und ihr Vaterland zu rächen.
„Wenn du den Deutschen leben lässt, hängt er den russischen Mann auf und schändet die russische Frau. […] Töte den Deutschen! bittet dich die alte Mutter. Töte den Deutschen! fleht dich das Kind an. Töte den Deutschen! schreit die Heimaterde. Ziel nicht vorbei. Triff nicht daneben. Töte!“, dichtete der Chefpropagandist der Roten Armee, Ilja Ehrenburg.
Und die ÖsterreicherInnen, die an der Seite der Deutschen gekämpft und als Feinde gegolten hatten, waren auf einmal keine mehr.