Aus dem Bezirk Güssing, strukturschwach und geprägt durch landwirtschaftliche Kleingrundbesitzer, wanderten besonders viele Menschen nach Amerika aus. Nach Schätzungen dürfte jede fünfte Person den Bezirk verlassen haben. Einige Auswanderer konnten sich in den USA eine neue Existenz aufbauen und unterstützen daraufhin finanziell die Zurückgebliebenen in der alten Heimat. Die Währungsprobleme der Ersten Republik hatten für sie somit weniger Auswirkungen.
Gendarmeriekommando für das Burgenland an die BH in Güssing am 25. Jänner 1927: „ Der herrschende grosse Bargeldmangel wird zumeist den Bankaffären zugeschrieben. Für einen Großteil der hiesigen Bevölkerung gilt nicht der Schilling sondern der Dollar als Bemessungsgrundlage zu irgendeinem Kaufe. […] Die Leute haben seit Jahren grösstenteils nur Dollar ihrer in Amerika befindlichen Verwandten und nur wenig österreichisches Geld in ihren Händen. Der unselige Kronensturz hat diesen Brauch eingeführt und der wenig vorhandene Schilling kann ihn nicht aufheben.“
(Burgenländisches Landesarchiv. Vorfallenheiten, BH Güssing vom 25. Jänner 1927)
Der Ort St. Kathrein im Bgld. ist eine der bedeutendsten Auswanderergemeinden des Burgenlands, denn es gibt kaum ein anderes Dorf, wo gemessen an der bisherigen Einwohnerzahl mehr Leute auswanderten als aus St. Kathrein. Den Aufzeichnungen zufolge sind im Jahr 1900 13 Personen von St. Kathrein ausgewandert, 1901 folgten nochmals 18 Menschen – diese Tendenz nahm bis zum Ersten Weltkrieg stetig zu.
Die Zielgebiete waren Pennsylvania, gefolgt von New York (vor allem in der Zwischenkriegszeit beliebt) und der Osten Canadas (vornehmliches Ziel der Auswanderer in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg.). Aus einer Zählung der frühen 60er Jahre geht hervor, dass 168 Einwohner in die USA und 11 Einwohner nach Canada ausgewandert sind. Die Zahl ist jedoch um 10-15 % höher anzusetzen, da in früherer Zeit ganze Familien weggewandert sind.
Zu Ende der 20er Jahre, in der Zeit der Weltwirtschaftskrise, war eine Rückwanderung festzustellen. Die zurückgekehrten Leute hatten mit ihrer mitgebrachten Barschaft die Häuser im Stil der damaligen Zeit renoviert. Leider sind nur wenige diese Häuser erhalten.
(vgl. Lang Josef (1989): St. Kathrein (Bgld). 1489 – 1989: 500 Jahre. Ortschronik. (Kapitel „Die Amerikawanderung aus St. Kathrein“)
Dazu 2 Beispiele aus unserer Familie:
Mein Ururgroßvater Stefan Taschler wanderte 1925 mit meiner Ururgroßmutter Rosa nach Pennsylvania aus und fand Arbeit in einer Zementfabrik. Nachdem meine noch lebende Urgroßmutter Rosa Lang in Allentown/Pennsylvania das Licht der Welt erblickte, kehrte meine Ururgroßmutter, von Heimweh geplagt, wieder über den Ozean nachhause und brachte sich und ihr Kind in der kargen Zwischenkriegszeit und während des 2. Weltkrieges so recht und schlecht durch. Mein Ururgroßvater Stefan, der in weiterer Folge noch Dollars in die alte Heimat schickte, kehrte, mit dem Versprechen, bald nach zu kommen, wenn er genügend Geld verdient habe, allerdings erst in seiner Pension nach St. Kathrein zurück – ohne dass die Ehe geschieden worden war.
Insgesamt muss festgehalten werden, dass Auswandererfamilien ihre Angehörigen in St. Kathrein regelmäßig mit Dollars unterstützten. Die heutige Umzäunung des Friedhofes in St. Kathrein ist z. B. eine Spende der in die USA ausgewanderten und zu ihrer Pensionierung wieder nach St. Kathrein zurückgekehrten Familie Novogoratz, woran noch eine an der Friedhofsmauer angebrachte Tafel erinnert, welche mir mein Großvater Lang Josef zeigte. Weiters berichtete mir mein Opa, dass er als Ministrant regelmäßig, wenn Auswanderer in St. Kathrein zu Besuch waren und die Sonntagsmesse besuchten, einen Dollarschein im Spendenkörbchen vorfand, in welchem ansonsten nur 10-Groschen-Stücke und wenige 1 Schilling-Münzen zu sehen waren.
Meine Großtante Mary-Ann, mit ihren Eltern in den 1950er Jahren von Sumetendorf (Bez. Güssing) nach Kanada ausgewandert und später nach New York weitergezogen, nahm an den von den Auslandsburgenländern alljährlich durchgeführten „Miss Burgenland-Wahlen“ teil, wo sie als eine der 3 Siegerinnen (Pennsylvania, Lehigh Valley und Detroit) einen Urlaubsaufenthalt in ihrer alten Heimat Burgenland gewann. Im Rahmen dieses Urlaubs lernte sie meinen Großonkel Emil Lang in Unterrabnitz kennen, die Hochzeit wurde gefeiert, eine Existenz aufgebaut, 2 Kinder kamen als Nachwuchs, auch diese sind schon verheiratet und Mary-Ann ist bereits 3-fache Großmutter.Ihre Schwester Ellie, ist mit einem gebürtigen Deutschen – dieser entstammt ebenfalls einer Auswanderer-Familie – verheiratet. Beide leben mit ihren Kindern in New York. Ihre Tochter wurde vor einigen Jahren ebenfalls zu einer „Miss-Burgenland“ gewählt.
Toller Artikel. Da kann man doch noch einiges dazulernen.
Wo findet man die angesprochene Ortschronik ?
Landesbibliothek Burgenland
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