Die Magyarisierung, der Versuch, die nicht ungarischsprachige Bevölkerung Ungarns zu bekennenden Magyaren zu machen, vollzog sich auf verschiedenen Ebenen. So wurden unter anderem die Schulkinder nach Ungarn entsandt, um ihnen die ungarische Sprache und Heimatgefühl näher zu bringen. Dieser Zwang brachte nicht immer den gewollten Effekt, wie ein Bericht des Ernst Guth aus Pinkafeld zeigt.
„Mit neun Jahren wurde ich 1902 im Tausch nach Sárvár geschickt, um dort gleichfalls die Staatssprache zu erlernen. Drei Volksschulklassen konnte ich zu Hause noch Deutsch besuchen. In Sárvár hörte ich nur Magyarisch.
Was einen Stachel in mir hinterließ war, dass ich oft wegen einer deutschen Abstammung ohne jeglichen Grund hören mußte ‚német labanc‘ oder ‚büdüs sváb‘ – ‚deutscher kaisertreuer Ungar‘ oder ‚stinkender Schwabe‘ – Als wir Pinkafelder Buben in der Bürgerschule während der Pause beim Deutschsprechen vom Lehrer überrascht wurden, mussten wir hundertmal abschreiben ‚Nem szabad németül beszélni‘ – ‚es ist nicht erlaubt, Deutsch zu sprechen‘. Es regte sich dann in uns der Widerspruch, und wir fühlten uns allmählich als Angehörige eines anderen Volkes und waren stolz Deutsche zu sein. Die Aufschrift auf den Eisenbahnwaggons ‚MÀV‘ (Magyar Àllamvasutak – Ungarische Staatsbahnen) deuteten wir um in ‚Magyarok Àzsiába vissza‘ – Magyaren zurück nach Asien.
(Piff Hans: Von Pinkafö nach Pinkafeld. S. 225)
„Türkisch sprechen verboten“ –
So könnte man den Artikel „Deutschsprechen verboten“, veröffentlicht am 30.November 2017 auf dem Burgenland History Blog, in unsere Zeit „übersetzen“. Dieser Blogeintrag handelt von der Magyarisierung, also dem Versuch, aus nicht-ungarisch sprechenden Einwohnern Ungarns Vorbilds-Magyaren zu machen – wenn es sein muss mit Zwang. Klingt das unvorstellbar für Sie?
Man stelle sich diese Szene vor: Wir sind auf einem österreichischen Schulhof. Zwei Kinder mit Migrationshintergrund unterhalten sich in ihrer Muttersprache. Die beiden werden sich nicht sonderlich viel Gedanken darübermachen – schließlich ist es ja die Sprache, mit der sie aufgewachsen sind, in der sie denken. Auf der anderen Seite wird wahrscheinlich Aufregung herrschen: Die Medien werden daraus einen großen Rummel machen, Politiker werden ihre Meinung äußern und es wird eine umfangreiche Diskussion entstehen.
Ganz klar – Im Klassenzimmer kann und soll man nicht die Muttersprache jedes Schülers sprechen. Aber inwiefern ist es in Ordnung, in das persönliche und freie Recht einzugreifen, in der Freizeit die Sprache zu sprechen, die man möchte? Keine Frage, es gibt genug Menschen, die in Österreich leben und die deutsche Sprache nicht sehr gut beherrschen. Zuhause wird oft kein Wort Deutsch gesprochen, weil die Eltern selbst kein Deutsch sprechen können. Das ist auf jeden Fall ein Problem – nicht nur für Personen wie Lehrer, sondern auch für Migrationskinder selbst. Die Suche nach einer Ausbildungsstelle oder nach einem Job kann ohne ausreichende Deutschkenntnisse problematisch werden. Hingegen sind Personen, die 2 Sprachen sprechen (z.B. Deutsch UND Türkisch) sehr gerne gesehen – diese Chance sollte man nützen.
Es darf und kann keine Lösung sein, jemanden in seiner Pause zu verbieten, seine Muttersprache zu sprechen. Ein Verbot der Muttersprache kann auch beim Erlernen einer Fremdsprache nicht sehr hilfreich sein: Lerne ich Vokabeln mit Karteikärtchen gibt es auch immer 2 Seiten – eine mit der Muttersprache und eine mit der Fremdsprache. Vielleicht wäre es an der Zeit, bei dieser Diskussion auch beide Seiten zu betrachten.