An einem Sonntag im Mai 1947 kam es, wie schon mehrmals zuvor, zu Plünderungen in Winden. Sowjetische Soldaten, die in Kaisersteinbruch stationiert waren, versuchten Lebensmittel und Wein zu stehlen bzw. eine Frau zu vergewaltigen. Junge Männer aus dem Ort setzten sich zur Wehr und verprügelten die Plünderer und verletzten einen sowjetischen Offizier schwer. Wenig später traf in Winden ein sowjetisches Kommando ein, um die „Täter“ zur Verantwortung zu ziehen. Der 25-jährige Andreas Margl und weitere acht junge Männer wurden verhaftet und wenige Wochen später von einem sowjetischen Militärgericht für schuldig befunden. Die zu 10 bzw. 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilten Männer wurden nach Sibirien verschleppt, wo sie, geplagt von Hunger und Kälte, in einem Gulag zur Waldarbeit oder in Bergwerken eingesetzt wurden. Erst fünf Jahre später, nachdem sie in ein anderes Gefängnis überstellt worden waren, durften sie brieflichen Kontakt mit ihren Angehörigen in der Heimat aufnehmen. So schrieb Andreas Margl an seine Freundin, die damals bei der Verhaftung schwanger war, am 21. Jänner 1955:
„Meine innigst geliebte Christl!
Vielen Dank für deine liebe Karte vom 22.X. Da ich immer mit Sehnsucht auf Antwort warte, zögere nicht sie schnellstens wegzuschicken. Zu Weihnachten und zur Jahreswende habe ich sehr an Euch, besonders aber an Dich gedacht. Geb Gott, daß es die letzten in der Fremde waren. Zum Neujahr war es mein besonderer Wunsch, da Ihr all Eure Uneinigkeiten vergebt und mir keine falschen Hoffnungen macht. Bald bekommt Toni sein Schulzeugnis. Hoffe, daß er fleißiger lernt und mir Freude bereitet. Ich wünsche, daß Du neben mütterlicher Liebe es auch an der Strenge der fehlenden Vaterhand nicht fehlen läßt.
Herzlichen Dank für die Äpfel. Obwohl vom Frost gebraten, konnte man sie trotzdem essen. Recht vielen Dank für das herrliche Packet von meinen lieben Eltern Beide erfreuten mich sich sehr am 16.XII. Dein liebes Weihnachtspaket mit Photos verschönerten das Weihnachtsfest. Dir innigen Dank.
Liebste Christl, sei so lieb und übermittle dem Wohltäter in Eisenstadt und Wien meinen aufrichtigen Dank für das am 28.XI., 13.XII., 3.XII, abgesandte Packet. Von Eisenstadt warme Decken, Socken und Stiefel. Leider sind die Stiefel Nr. 43 zu klein, trage 44 ½.
Schreib mir endlich, ob Du meinen Dank, so wie ich schon mehrmals gebeten, übermittelt hast. Wenn ich schon auf alle anderen Hochzeiten zu spät komme, meine eigene versäume ich bestimmt nicht. Zu deinen baldigsten Geburtsgag wünsche ich Dir alles Gute vor allem volle Gesundheit und hoffe Dich recht bald wieder glücklich zu machen. Ach könnte ich Dich wieder küssen soviel ich wollt. […].
Viele Grüße und Küsse Dir und Toni. Herzliche Grüße an deine lieben Mutter, meinen Eltern und allen Verwandten. Im Gedanken küsst Dich Andreas. Bin gesund, was ich auch von Euch allen hoffe. Hat der Sturm viel Schaden gemacht?? Schreib gleich.
Karte vom 27.XI. nicht erhalten.“ (Sammlung Fa. Margl, Winden)
Während vier der Häftlinge 1953 die Heimreise antreten konnten, kamen Andreas Margl und zwei seiner Freunde erst nach der Unterzeichnung des Staatsvertrages im Juni 1955 in die Heimat zurück. Zwei der Verschleppten starben während der Inhaftierung.
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