Herbst 1956. Der Volksaufstand in Ungarn wird blutig niedergeschlagen. Rund 200.000 Ungarinnen und Ungarn ergreifen die Flucht und überqueren die Grenze zu Österreich. Im ganzen Land und vor allem im angrenzenden Burgenland läuft eine große Hilfsaktion an. Unter anderen engagieren sich auch christliche Hilfsorganisationen, wie der Malteser Hilfsdienst, der an der burgenländisch-ungarischen Grenze bei der Flüchtlingsbetreuung mithilft. Ein Brief aus dem Lager Eberau vom 4. November 1956 an die Zentralstelle in Wien gibt Eindruck über die Lage:
„Auftragsgemäß bin ich in das südliche Burgenland gefahren und habe hier mit sämtlichen Behörden, wie Gendarmerie und Zoll, Verbindung aufgenommen. Gestern war es noch möglich, über Heiligenkreuz-Körmend nach Budapest zu gelangen. Ein Grazer Rotzkreuzkonvoi, der gestern um 11 Uhr die Grenze passierte, ist bisher noch nicht zurückgekommen. In Kohfidisch, Eberau, Güssing und Neumarkt bei Jennersdorf habe ich Lagerräume für Medikamente und nichtverderbliche Lebensmittel sichergestellt.
Heute Früh herrschte an der gesamten Grenze vollkommene Ruhe. Es kamen nur einzelne Flüchtlinge herüber. Die Panzer standen bei Heiligenkreuz 11 Kilometer hinter der Grenze, verhielten sich aber passiv, daher konnte man angeblich nach Körmend und Steinamanger gelangen.
Gegen Mittag wuchs der Flüchtlingsstrom stark an. Ich konnte beim Abfahren der Grenze feststellen, dass von Rechnitz bis Güssing ca. 1.000 Flüchtlinge herübergekommen waren, außerdem ca. 100 Soldaten. Von den Flüchtlingen wurde uns gesagt, dass in den Grenzortschaften die Menschen auf den aufgepackten Fuhrwerken sitzen und warten, bis die Russen in den Ort einmarschieren, dann kommen sie nach Österreich herüber. Die Flüchtlinge (99 %) sind Grenzbewohner. Der Abtransport der Flüchtlinge geht bisher reibungslos und ist von den Behörden ausgezeichnet organisiert. Es ist jedoch anzunehmen, dass über Nacht und in den frühen Morgenstunden der Flüchtlingsstrom noch wesentlich anwachsen wird.
Es wäre wünschenswert, wenn 4 bis 6 Herren morgen sobald wie möglich herunterkommen könnten, welche an den verschiedenen Grenzübertritten, vor allen Dingen in Schachendorf und Heiligenkreuz einzusetzen wären. Graf Karl Draskovich war heute Abend bei Heiligenkreuz und St. Gotthard, wo es ähnlich wie hier ist, auch dort wird der Abtransport klaglos abgewickelt.
Falls Herren herunterkommen, wäre es am besten, sie kommen hierher, damit sie von hier eingesetzt werden können. Falls die Leitung nach Eberau 3 wieder gestört sein sollte, ersuche ich, in Güssing 46 anzurufen und Nachricht zu hinterlassen. Mit ordensbrüderlichem Gruß“
(Bachkönig Wolfgang. Ungarnaufstand 1956. 2017. S. 150)
Hinterlasse einen Kommentar