Bereits in den 1920er Jahren entwickelte sich der Zicksee bei St. Andrä zu einem beliebten Urlaubsziel. Die meist aus Wien stammenden Urlaubsgäste schätzten die angenehmen Wasser- und Lufttemperaturen und die gute Erreichbarkeit. In nur wenigen Jahren wurden Gast- und Beherbergungsbetriebe und eine Strandinfrastruktur gebaut. Auch der Trend der Gäste, sich ein Wochenendhaus am Zicksee errichten zu wollen, wurde zunehmend bemerkbar. Der Amtsleiter aus St. Andrä machte sich 1927 so seine Gedanken, wie die Gemeinde diese Tendenz nützen könnte. Dabei kommt auch der Antisemitismus, wohl dem Zeitgeist entsprechend, zum Vorschein.
„An den Hochgeehrten Gemeinderat in St. Andrä. Wie alljährlich sind auch heuer schon Anfragen gekommen, wann einmal die Wirtschaftsgemeinde auf der zwischen dem Zicksee und Eisenbahn liegenden Hutweide Haus-u. Villenplätze verkaufen wird, und ob welche zu haben sind. Gefertigter ersucht daher, möge der löbl. Gemeinderat im Interesse der im Aufblühung begriffenen Gemeinde St. Andrä mit allen gesetzlichen Mitteln dahin wirken zu wollen, dass man den Fremden die gewünschte Haus -u. Villenplätze zu bescheidenen Preis zuweist; es wird weiters ersucht, beschliessen zu wollen, wo und wie grosse Plätze verkauft werden, jüdische Kauflustige auszuschliessen, weil die Auschliessung von einer grossen Bedeutung ist […]
Weiters wird bekanntgegeben, dass die Gemeinderäte aus Neusiedl am See und Ortschaft Podersdorf schon im Vorjahre ihre Gemeinden für Kurorte erklären haben lassen, wodurch sie als Kurort mehr bekannt werden und im Fremdenverkehr Angelegenheit vieles erreichen können.
Gefertigter ersucht aus obigen Grunde, der löbl. Gemeinderat möge mit stolz und mit vollen Recht unsere Gemeinde dem obigen Beispiel folgend auch für KURORT erklären lassen zu wollen und den Gemeindenamen „St.Andrä bei Frauenkirchen“ auf „BAD ST. ANDRÄ umändern, bzw. diese Umänderung durch den burgl. Landtag zum Gesetz erheben lassen zu wollen.
Damit ist alles erreicht und was für eine Bedeutung diese Änderungen auf die blühende Gemeinde haben werden, benötigt keine weitere Aufklärung. Wir sehen heute schon, dass die Gemeinde einer guten Zukunft entgegen sieht, und mit gemeinsamen Hilfe und Harmonie wird das Werk für unsere Nachkommen bestimmt fertig gebaut!!!!! Hochachtungsvoll Leitender Amtmann: Strandbadunternehmer.“
(Gemeinderatsprotokolle, Privatarchiv)
Heikle Themen lässt man gerne einschlafen! Ja, man versucht sie sogar, so gut es eben geht, der Öffentlichkeit zu entziehen! Wer kennt das nicht? Der Junge aus der Nebenklasse findet aufgrund seiner Herkunft einfach keinen Anschluss. Seine Familie ist erst vor ein paar Monaten nach Österreich gezogen und es fällt ihm deshalb noch dementsprechend schwer, ein Gespäch mit seinen Mitschülern aufzubauen. Diese gehen aber auch nicht auf ihn zu, denn sie kennen sich ja alle bereits seit dem Kindergarten und der Neue, ja, der sieht irgendwie komisch aus.
Das Phänomen der Diskriminierung ist also ein nach wie vor allgegenwärtiges Thema, welches immer schon Bestandteil unserer Gesellschaft war. Im Zuge des Nationalsozialismus in Deutschland, welcher um 1933 begann, wurde die jüdische Bevölkerung unter Adolf Hitler von diversen Tätigkeiten des öffentlichen und wirtschaftlichen Geschehens ausgeschlossen. Ziel war unter anderem, die gigantische Aufrüstung mit jüdischem Vermögen zu finanzieren. Dazu gehörte eben auch das Ausschließen jüdischer Kaufleute vom Erwerb eines Bauplatzes, so wie es bereits 1927 der Amtsleiter von St. Andrä gewünscht hatte. Die Juden waren also bereits schon vor der Zeit des Nationalsozialismus Leute zweiter Klasse. Oder?
Ein solch grausames Verbrechen wie zur Zeit des Antisemetismus, welches weit über herkömmliche Diskriminierung hinweggegangen ist, ist heute zum Glück nicht mehr Bestand unserer Gegenwart.In unserer heutigen Gesellschaft erfolgt Ausgrenzung aufgrund anderer Faktoren. Menschen, die nicht der Norm entsprechen, sich anders kleiden,eventuell sehr introvertiert sind oder sich in einer anderen Form von ihren Mitmenschen unterscheiden, werden oftmals zur Zielscheibe. Die Folgen von Diskrimierung sind allerdings heute wie auch damals dieselben. Die betroffene Person fühlt sich ausgegrenzt, einsam und wird gegebenenfalls immer mehr zum Außenseiter.
Die Zeit, in der wir leben, ermöglicht es uns heute, uns selbst Meinungen und Urteile zu bestimmten Problemen bilden zu können und diese auch öffentlich kund zu tun. Jeder sollte sich im Klaren darüber sein, wozu Diskriminierung führen kann. Folglich sollte man als gutes Beispiel vorangehen und an andere appelieren, Ausgrenzung zu vermeiden! Des Weiteren sollte man versuchen, Vorurteile zu vermeiden und lieber mal auf eine fremde Person zuzugehen, um sich anhschließend ein Urteil über diese bilden zu können.
Diese freie Meinungsäußerung war allerdings nicht immer erlaubt und oft sogar sehr gefährlich! Wer sich später im Nationalsozialismus jemandem gegenüber negativ über Adolf Hitlers Prinzipien äußerte, dem erging es dann meistens nicht besser als den Juden selbst. Aber auch das antisemitistische Verhalten des Amtsleiters (1927) entspricht meiner Meinung nach anscheinend leider der damaligen Norm.
Die Menschen müssen einfach endlich begreifen, dass nur ein aufeinander Zugehen langfristig gesellschaftliche Probleme lösen kann. Jeder ist Teil dieser Welt. Somit sollte man doch Teil der Lösung und nicht Teil des Problems sein!