Die Bearbeitung der Weingärten in Rust erfolgte zumeist durch Landarbeiter. Aufgrund von Lohndifferenzen mit ihren Arbeitgebern, den Bürgern von Rust, traten am 12. Juni 1924 350 Ruster Landarbeiter in Streik. Die Arbeitgeber setzten zunächst auf Zeit. Die Solidarität der Arbeiter aus den Industriegebieten mit den Landarbeitern von Rust wendete jedoch das Blatt und die Arbeitgeber mussten nach 10 Streiktagen den Forderungen der Landarbeiter nachgeben.
Die sozialdemokratische Wochenzeitung „Burgenländische Freiheit” (BF) freute sich über den Erfolg und widmete in ihrer Ausgabe vom 4. Juli 1924 dem Streik unter dem Schlagwort „Rust (Ein harter Kampf, aber ein prächtiger Sieg) einen langen Bericht.
„Obwohl nun letztere (Anm.: Weinbauern der Umgebung) für ihren Wein pro Liter 7.000 K erhalten, zahlen sie 20.000 bis 25.000 K Taglohn mit voller Verpflegung; während die Ruster Bürgerbauern ihren Wein mit 15.000 K verkaufen, entlohnen die die Arbeiter mit 20.000 bis 24.000 K ohne Verpflegung. Es ist selbstverständlich, daß ein solcher Lohn zum Leben zuwenig und zum Sterben zu viel ist. Dabei wird jeder regnerische Tag abgezogen, und während der monatelangen Arbeitspause im Winter haben die Arbeiter keinen Heller Geld. In dieser Zeit bekommen sie vom Arbeitgeber Vorschüsse, welche sie im Sommer abarbeiten müssen. […] Das Aussehen der Arbeiter ist danach, und dem gleicht ihr Leben. Um 5 Uhr früh Ersatzkaffe, um 8 Uhr ein Stück trockenes Brot, mittags einen trockenen Sterz und abends wieder ein Stück Brot und ein Krügel „Wasserla”, ein schmutziges, überriechendes Getränk, welches den unverdienten Namen Trinkwein trägt. […], und auch heuer konnte es guten Muts gewagt werden, den Kampf um geordnete Lohn und Arbeitsverhältnisse aufzunehmen. […] 300 Arbeiter und Arbeiterinnen traten begeistert in den Ausstand, und obwohl kein Geld und kein Brot vorhanden war, erklärten sich alle mit Freude bereit, entschlossen auszuharren. Eine Anzahl von ihnen schnürten ihr Bündel und wanderten in die Fremde, um die Daheimgebliebenen zu unterstützen. […] Nun versuchte man die Kleinhäuslersöhne, welche bei den Frontkämpfern „dienen”, als Streikbrecher zu verwenden, aber auch dies blieb ohne die gewünschte Wirkung. […] Nun legte sich die Landesregierung ins Mittel, und eine Kommission, bestehend aus Herrn Regierungsrat Guth und den Landesräten Till und Koch, wurde nach Rust entsendet. Vergebliche Mühe. Selbst dem christlichsozialen Landesrat Koch wurde die Geschichte schon zu bunt, doch waren die Bürger zu Verhandlungen nicht zu bewegen. Ihre Hoffnung war, daß der Hunger die Arbeiter selbst wieder zurücktreiben würde, aber auch hier sollten sie eine arge Enttäuschung erleben. Die Genossen aus Neufeld, Hornstein und Stinkenbrunn sammelten Lebensmittelspenden, welche Samstag früh in Rust einlangten. Ungeheurer Jubel auf der einen, lange Gesichter, ärgste Enttäuschung auf der anderen Seite. Als nun die Bürger von Rust nicht mehr auf ihren Verbündeten, den Hunger, rechnen konnten, unterzeichneten sie Sonntag den 22. Juni nach mühevollen Unterhandlungen der Genossen Till und Widmayer den Vertrag, der eine 50- bis 60 prozentige Lohnerhöhung und andere Begünstigungen bringt.
Der ganze Streik verlief ohne Zwischenfall, abgesehen von den paar Jammerlappen von Streikbrechern, welche die Retter der Bürger von Rust sein wollten. Die Genossen aus Rust danken nochmals herzlichst für alle Spenden, welche ihnen aus den Ortschaften zugekommen sind. […] Bürger von Rust! Betrachtet den Arbeiter als Menschen, der dasselbe Recht zum Leben hat wie ihr!” (Artinger Heribert: Chronik der Stadtgemeinde Rust. S.105)
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