Lehrergewalt gegenüber Schülern war lange Zeit eine Normalsituation im Unterricht und sowohl die Unterrichtenden als auch die Eltern nahmen diese Form von Erziehung als gegeben und üblich hin. Kaum jemand stellte sich die Frage, ob dies gerecht und zielführend sei. Erst 1986 wurden explizit durch die Neuformulierung des Schulunterrichtsgesetzes körperliche Züchtigungen und verbale Beleidigungen verboten. Das vollständige Verbot von Prügelstrafen für Kinder ist in Österreich erst seit 1989 verboten.
Aus einem Protokoll einer Schulstuhlsitzung in Apetlon vom 1.11.1892 ist ersichtlich, dass die Prügelstrafe hinterfragt wurde:
„Hochw. Herr Präses gab nach eröffneter Sitzung die Klage des Johann Munzenrieder gegen beide Lehrer und die Interpellation (Anfrage: Anm. des Verfassers) des Balthauser Tschida Nr. 190, weshalb sein Sohn schon eine geräumige Zeit hindurch immer erst 4-5 Uhr nachmittags aus der Schule zu Hause kommt, welches Vergehen er gemacht hat zur Kenntnis. Die Klage des Herrn Munzenrieders gegen den Oberlehrer, daß er seinen Sohn derart geschlagen hat, daß derselbe längere Zeit wegen Fieberkrankheit das Bett hüten mußte, wurde zur Kenntnis genommen; ebenso die Bitte desselben, daß genannter Lehrer gerügt werde! Die Verteidigung des Oberlehrers gegen diese Klage wurde als Wahrheit anerkannt und er also nicht gerügt. Ebenso wurde die Verteidigung des Unterlehrers, gegen die Klage, daß er Adolf Munzenrieder das Ohr ausriß, als Wahrheit angenommen und auch dieser keine Rüge nötig gefunden. Betreff der Angelegenheit des Balthauser Tschida erklärte der Lehrer, daß dessen Sohn Paul Tschida in diesem Schuljahr keine schriftliche Aufgabe noch gemacht, weshalb er ihn täglich solange hier behielt, bis er die Aufgabe fertig bringen würde; weil aber auch dieses nichts nützte, so bekam derselbe einige empfindliche Prügel, wozu der Lehrer vollkommen recht hat, was auch von Schulstuhl anerkannt und für gut befunden wurde. Die Erinnerung an Geduld von Seite des Herrn Pfarrers wurde von den Lehrern dankend zur Kenntnis genommen. […]“
(Tschida Josef, Pf.i.R., Betrifft: Ortschronik von Apetlon, Manuskript)
Was damals zu viel war ist heute zu wenig.
Eine Straftat, schwere Körper – und vor allem Seelenverletzung, die Auswirkungen bis in die heutige Gesellschaft hat. Wie viele Kinderseelen sind verkrüppelt, Selbstwert und Selbstsicherheit zertrampelt worden. Für mich ein Verbrechen, das mit den Hexenverbrennungen der Kirche gleichzusetzen ist. Das schlimmste Verbrechen ist aber, daß das Ganze mit “die Zeit heilt alle Wunden” abgetan wird. Das tut die Zeit nämlich nicht, weil diese persönlichkeitsprägenden Wunden weitervererbt werden. Es ist einfach unfassbar, was das Schulsystem und die Kirche hier angerichtet hat.
Es dürfte einen Zusammenhang zwischen einer weit verbreiteten Prügelstrafe (auch in den Familien) und der mangelnden Friedlichkeit eines Landes geben, entnehme ich mit Interesse den Artikeln des Friedensforschers Franz Jedlicka. Lesenswert für alle Interessierten ..
Norbert