Anfang des 16.Jahrhunderts fanden die aus Ödenburg und Wiener Neustadt vertriebenen Juden in Mattersdorf (ab 1924 Mattersburg) Zuflucht. Die jüdische Gemeinde entstand 1527 auf dem zum herrschaftlichen Meierhof gehörigen herrschaftlichen Gelände. (Eine alte Sage freilich schreibt die Gründung der Gemeinde sechs sefardischen, also spanischen Familien am Ende des 15. Jahrhunderts zu.) In weiterer Zeit wurden um 1570 und 1671 die jüdischen Familien kurzzeitig aus Mattersdorf vertrieben.
Die Gemeinde wurde immer wieder aufgebaut und entwickelte sich im 20. Jahrhundert zur größten jüdischen Gemeinde des Burgenlandes. Rund 300 Jahre nach ihrer ersten Gründung wurde die jüdische Gemeinde durch die Nationalsozialisten gewaltsam aufgelöst. Es war dies das Ende des jüdischen Lebens in Mattersburg. Im September 1938 mussten die letzten jüdischen Bewohner den Ort verlassen. „Das kleine Blatt“ berichtete in seiner Samstagsausgabe vom 8. Oktober 1938 darüber:
„Mit Ende des vergangenen Monats verließen die letzten Juden Mattersburg. Der Ort, der mit seinen 530 Juden Jahrhunderte hindurch berüchtigt war, ist somit gänzlich judenfrei! Die meisten sind auch bereits ausgebürgert, da sie das Reichsgebiet verließen. Im Zeichen der Erlösung von der Judenplage ließ der Ortsgruppenleiter und Bürgermeister unter Teilnahme einer jubelnden Menge auf dem ehemaligen Judentempel eine weiße Flagge hissen. Das Judenviertel selbst soll über kurz oder lang niedergelegt werden und anstatt der elenden Wanzenburgen werden neue Bauten und Parkanlagen erstehen.“ (Das kleine Blatt, 8.Oktober 1938, Nr.277)
Mattersburg judenfrei!
Ein Kommentar von Reinhard Plank
„Mattersburg judenfrei!“, eine Schlagzeile, die in der heutigen Zeit unfassbar und für die heutige Generation auch unbegreifbar erscheint. Die Propagandamaschinerie der Nationalsozialisten lief zur damaligen Zeit auf Hochtouren.
Weniger bekannt ist, dass abseits solcher Hetzkampagnen die jüdische Gemeinde von öffentlicher Seite beinahe verleugnet wurde. In Gemeinderatsprotokollen der damaligen Zeit ist lediglich von Ankaufsvorschlägen jüdischer Immobilien die Rede. Außerdem wurde in selbigen Sitzungen vom Gemeinderat beschlossen, dass nicht bewohnbare Häuser abzutragen seien. In den noch bewohnbaren Objekten wurden Arbeiterfamilien aus Wiener Neustadt untergebracht. Solche Beschlüsse kamen selten in eine Zeitung. In den Reden des damaligen Bürgermeisters war nur von Problemen mit den Immobilien zu hören, aber nichts von den ehemaligen Besitzern.
Diese flohen in alle Richtungen. Viele wandten sich nach Ungarn oder in die Tschechoslowakei, einige nach England oder in die USA. Es gab auch Auswanderer, welche den Weg nach Israel schafften. Nicht zufällig trägt ein Bezirk aus Jerusalem noch heute den Namen „Kirjat Mattersdorf“.
Viele Menschen hatten weniger Glück.
Nach meiner Ansicht darf Leben oder Tod nie mehr von Glück abhängen! Wenn in unserer Zeit auf reißerische Schlagzeilen verzichtet und Mitläufertum vermieden wird, sind die ersten Schritte in die richtige Richtung getan. Und somit haben totalitäre Systeme nie mehr eine Chance.