Die mögliche Schiffbarmachung des Neusiedler Sees, um wirtschaftliche und touristische Ressourcen besser ausschöpfen zu können, beschäftigte so manchen Zeitgeist. Eine interessante Idee entwickelte die „Österreichische Reederei Ges.m.b.H., die der Burgenländischen Landesregierung 1950 folgendes Angebot machte:
„Die Verwendung von Dampf- oder Motorschiffen mit Unterwasserschraub hat sich besonders in seichten, zum Teil stark verkrauteten Gewässer wenig bewährt. […] Besonders der Neusiedler See mit seiner ungewöhnlich geringen Tiefe ist für solche Fahrzeuge nur an ganz wenigen Stellen befahrbar.
Unter solchen Umständen ist ein dauernder Schiffsverkehr ausschließlich durch Gleitschiffe mit Luftschrauben-Antrieb einzurichten und aufrechtzuhalten.
Solche Schiffe, die 50-60 Passagiere mit ihrem ganzen Reisegepäck aufnehmen können, sind vollkommen flach gebaut und haben bei Stillstand mit voller Belastung einen Tiefgang von ca. 25-28 cm, der sich in der Fahrt bis auf 5-10 cm verringert. […] Ihre Fahrtgeschwindigkeit kann von null auf 80 bis 100 Stundenkilometer beliebig gesteigert werden. […] Der Antrieb erfolgt durch einen 750 PS starken Flugzeugmotor und Luftschrauben-Propeller mit 1,7 m Durchmesser. […]
Die Einführung eines derartigen Schiffsbetriebes auf dem Neusiedler See würde vor allem die Möglichkeit bieten, Orte, die heute nur durch langwierige Umfahrungen des Seegebietes erreichbar sind, auf dem kürzesten Wege miteinander zu verbinden und ihnen den wirtschaftlichen Anschluß an die Verkehrsstraßen und damit an das gesamte Wirtschaftsleben Österreichs außerordentlich zu erleichtern; die weitere Möglichkeit, leicht verderbliche Wirtschaftsgüter rasch und bequem zu transportieren kommt insbesondere für die Versendung von Obst, Eiern, Milch, etc. […]
Ganz besonders aber fällt hier ins Gewicht, daß ein derartiges, für ganz Österreich und einen großen Teil Europas neues und höchstmodernes Verkehrsmittel eine sensationelle Neuheit auf dem Gebiet des Fremdenverkehrs darstellt […].“
(Aus: Burgenländisches Landesarchiv. Regierungsarchiv. XII. 1951. 166)
Das Gleitboot kam nie auf dem Neusiedler See zum Einsatz, da die Burgenländische Landesregierung aus finanziellen Gründen, die Kosten hätten sich auf 450.000 Schilling belaufen, den Kauf nicht tätigte.
„SCHIFF AHOI!“- Jeder kennt diese zwei Wörter. Sie dienen dem Anruf von Seefahrzeugen, aber auch als Gruß oder Abschiedslaute. In diesem Fall müsste der Slogan aber anders heißen, nämlich „BOOT AHOI!“.
Der Beitrag im Burgenland History Blog mit dem Titel „Mit dem Gleitboot über den Neusiedler See“, veröffentlicht am 01. Januar 2017, handelt von einem Angebot, das die Burgenländische Landesregierung 1950 von der „Österreichischen Reederei Ges.m.b.H“ bekam. Diese Schifffahrtsgesellschaft wollte am Neusiedler See durch Gleitschiffe einen dauernden Schiffsverkehr durchsetzen. Solche Gleitschiffe wären im Gegensatz zu Dampf- und Motorschiffen, welche durch einen Unterwasserschraub angetrieben werden, ausschließlich mittels Luftschrauben-Antrieb betrieben worden. Gerade für den Neusiedler See wäre die Einrichtung des Gleitschiffes unabdingbar gewesen, da er eine sehr geringe Tiefe aufweist.
Es ist offensichtlich, dass die Reederei alles gegeben hat, um dieses Projekt rund um das Gleitschiff bei der Landesregierung durchzusetzen. In ihrem Angebot erwähnt sie alle erdenklichen Vorteile dieser neuen Idee. Sowohl für den Tourismus als auch für die Wirtschaft wäre das Gleitschiff nützlich gewesen. Man hätte leicht verderbliche Güter wie beispielsweise Eier oder Milch ohne größeren Aufwand transportieren können. Weiters hätte man es im Bereich des Fremdenverkehrs einsetzen können, um Urlauber samt ihrem Gepäck von einem Ort zum anderen zu bringen. Dadurch hätten diese die Möglichkeit gehabt, in der Region rund um den Neusiedler See mehrere Orte während ihres Aufenthaltes zu besuchen.
Trotz allen genannten Punkten lehnte die Burgenländische Landesregierung aus finanziellen Gründen das Angebot ab. Vielleicht waren auch andere Faktoren für die Nichtannahme des Angebots ausschlaggebend, die aber nie öffentlich gemacht wurden.
Meiner Meinung hätte man die vielen Vorteile, die man mit der Einrichtung des Gleitschiffs genießen hätte können, bei der Entscheidung nicht außer Acht lassen dürfen. 450.000 Schilling sind umgerechnet um die 32.000 Euro – natürlich ist diese Summe beachtlich. Bedenkt man aber, dass dieses Gleitschiff mittlerweile seit über 60 Jahren am Neusiedler See seine Runden drehen würde, traue ich mich behaupten, dass das Land Burgenland das ausgegebene Geld von 1950 schon lange wieder eingenommen hätte.
Eine Landesregierung sollte in ihren Entscheidungen stets gewissenhaft vorgehen und auch immer das Wohl der Bürger im Hinterkopf behalten. War also damals das Budget wirklich knapp und das Burgenland hätte sich mit der Entscheidung für das Angebot verschuldet, hätte das sicher nicht dem Interesse der Burgenländer entsprochen. Meines Erachtens ist es trotzdem schade, dass das Projekt rund um das Gleitboot nicht einmal getestet wurde – man hätte sicher verhandeln können.
Ich bin jedoch auch der Meinung, dass es nicht viel bringt, diesem Projekt hinterherzutrauern. Immerhin profitieren in der jetzigen Zeit speziell die Ortschaften, die einen offiziellen Zugang zum Neusiedler See haben, enorm von der Lage direkt am See. Diese Tatsache zeigt uns, dass sich trotz der Ablehnung des Angebots im Jahr 1950 vor allem der Tourismus rund um den Neusiedler See zeigen lassen kann. Vom jährlichen Surf-World-Cup in Podersdorf am See bis hin zu den berühmten Seefestspielen in Mörbisch – diese Veranstaltungen sind den Leuten in ganz Österreich ein Begriff.
Das alles heißt aber wiederrum, dass der burgenländischen Landesregierung nicht wirklich ein Vorwurf zu machen ist, denn wenn es dem Neusiedler-See-Tourismus jetzt gut geht, hat sie offensichtlich vieles richtig gemacht.