Rudolf Klaudus, der bis 1938 Schulinspektor für das kroatische Schulwesen im Burgenland war, wurde nach Kriegsende zum Bezirksschulinspektor im Bezirk Oberpullendorf ernannt. Die chaotische Situation 1945 schilderte er folgendermaßen:
„[…] Mit einem russischen Lastwagen komme ich nach Oberpullendorf, melde mich bei Oberamtsrat Penzinger, der mir die Organisierung des Schulwesens überträgt. Als erstes ersuche ich den Bezirkskommandanten, einen Posten vor der Villa, in der die nazistische Schulabteilung untergebracht war, aufzustellen, damit keine Akten verschleppt oder vernichtet werden können. In Oberpullendorf war kein Quartier zu bekommen, alles war vom Militär belegt, ich mußte wieder heim nach Kleinwarasdorf am nächsten Tag wieder nach Oberpullendorf. Per pedes oder per Anhalter: keine erheiternde Aussicht! Die einzig mögliche und halbwegs zufriedenstellende Lösung des Problems war die Beschaffung eines Pferdes. Das durfte natürlich nicht von augenfälliger Qualität sein, sonst lief man Gefahr, daß es sich irgendein tippelnder Infanterist „ausleiht“. Es fand sich eines. Natürlich nicht gegen Geld, sondern Naturalien. Der Sattel, ein zerlumpter Kosakensattel, kostete mich 1 kg Zucker. So wurde ich zum reitenden Schulinspektor, denn es hatte noch lange, sehr lange gedauert, bis sich der zivile Verkehr so entwickelt hat, daß man per Auto oder Autobus zu den Schulen gelangen konnte.
Die Bestellung der Lehrer war ein Kapitel für sich. „Faschisten“ durfte man nicht anstellen. Wo aber so viele Lehrer hernehmen, die nicht bei der Partei oder zumindest keine Anwärter waren? Auf mein Anraten stellte der Bezirkshauptmann, mit dem mich alte Freundschaft verband, eine Kommission zusammen: die Bezirksparteisekretäre, zwei über allen Zweifel erhabene Lehrer, er als Vorsitzender, ich als Referent. Also ganz und gar demokratisch. Anhand der sichergestellten Personalakte entschied diese Kommission, welcher Lehrer angestellt werden kann und welcher nicht. Die Liste mußte ich dem Bezirkskommandanten als letzter entscheidender Instanz vorlegen. Mir war nicht ganz wohl zumute.
Der Major, ein braver Truppier, ging die Liste gewissenhaft durch, sein Gesicht wurde rot und röter und stieß dann in entsprechender Lautstärke hervor: „Das sind ja lauter Faschisten!“ Das mußte ich zugeben, ca. So ca. 80% waren Parteimitglieder oder zumindest Anwärter. Ich berief mich auf die Kommission, die Demokratie, die Gewissenhaftigkeit. Wir prüften jeden einzelnen Fall und setzten so die Liste einstweilen durch. Die Lehrer bekamen ihre Bescheide. Der Unterricht lief an, genauer gesagt: der Unterricht stolperte von einem Provisorium zum anderen. Lehrermangel, devastierte Schulräume, keine Schulbücher, keine sonstigen Requisiten wie Papier, Schreibzeug etc. etc. Man half sich eben, wie man konnte und sich auf Improvisation verstand.
Wenn ich mich recht erinnere, konnte ich schon im Herbst 1945 die erste Lehrerversammlung nach Qberpullendoif einberufen. Es konnten nicht alle kommen, vor allem trauten sich die Lehrerinnen nicht recht, aber es kamen viele. Natürlich: Klagen über Klagen. Helfen? Ich stand ja selbst mit leeren Händen da. Ich konnte sie bloß meiner Überzeugung versichern, daß sich alles von Monat zu Monat zum Besseren wenden wird, ich konnte nur an ihr Gewissen und an ihr Berufsethos appellieren und ihnen mein Versprechen auf den Weg geben, daß ich ihre Stellung und Stelle nach meinen besten Kräften schützen werde, damit sie, von Angst und Brotsorgen befreit, ihrer Arbeit nachgehen können. […]“
(Prickler Leonhard: Das Schul- und Bildungswesen im Burgenland seit 1945. In: Burgenland. Vom Grenzland im Osten zum Tor in den Westen. Wien 2003. S. 62-64)