Bereits wenige Wochen nach der Ausrufung der Räterepublik in Ungarn wurden in den Dörfern Wahlen für die Gemeindevertretungen abgehalten. Diese „allgemeine, gleiche und geheime Wahl“ der Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte fanden vielfach bereits im März 1919 statt. Dabei konnten die Wählerinnen und Wähler Personen direkt als Ratsmitglieder wählen. Die gewählten Personen hatten danach in einer konstituierenden Sitzung aus ihren Reihen einen Vorsitzenden zu ernennen. In Lutzmannsburg erfolgte die Wahl der Gemeindevertretung am 25. März 1919, wobei die neuen Machthaber nicht die Zustimmung des evangelischen Pfarrers Karl Fiedler fanden, wie seine Aufzeichnungen erkennen lassen:
„Das Elend ist nun in seiner ganzen Größe da. Am 21. März übergab Graf Karoly die Regierung den Bolschewisten, oder wie sie sich bei uns in Ungarn nannten: Kommunisten. Ihre erste Arbeit war unter anderem: die Trennung der Kirche vom Staat. Niemand dürfte gezwungen werden, einer Kirchengemeinde anzugehören und Kirchensteuer zu zahlen. An Stelle des Ortsrichters wurde der sogenannte „Präses”, an Stelle der Geschworenen, der sogenannte „Gemeinderat” gewählt. In den Kommunisten bekam die unterste Schichte des Volkes, der Pöbel, die Macht in die Hand. Auch bei uns wollten die Kleinlutzmannsburger Arbeiter einen rein aus Arbeiter bestehenden Gemeinderat gründen und einen jämmerlichen Dummkopf, der nicht einmal seinen Namen recht schreiben kann, als Präses an die Spitze stellen. „Wir sind schon altbewährte Sozialisten” meinten die Arbeiter (Maurer besonders) zu unseren Bauern. Doch waren unsere Bauern auch auf der Hut. Sie ließen sich alle in die sozialistisch-kommunistische Landespartei als Mitglieder einschreiben und hatten somit das Recht zu wählen und auch gewählt zu werden. Man nannte die Kommunisten allgemein: „Die Roten”, weil sie statt einer Nationalfahne eine rote Fahne, statt einem Nationalband ein rotes Band trugen. Zum Unterschied von den Roten nannten wir uns die „Weißen”. Nachdem also in unserer Gemeinde, wir, die Weißen, in der Majorität waren, so wählten wir uns als Präses nicht den roten Dummkopf aus Kleinlutzmannsburg, sondern wir wählten uns einen evangelischen Mittelbauer, namens: Karl Plöchl. Der „Gemeinderat” aber wurde zusammengestellt teils aus besonnenen Arbeitern, teils aus Bauern ärmeren Standes. Damit war aber der „rote Genosse” aus Kleinlutzmannsburg samt seinen Anhängern nicht zufrieden, ging nach Ödenburg, verschwärzte die ganze Gemeinde bei der roten Behörde daselbst, kam nach Hause und erklärte, die Wahl sei annuliert, und niemand habe das Recht Präses zu sein, als er. Dreimal wurde die Wahl wiederholt immer mit demselben Resultat. Der „Genosse” mußte endlich doch mit Schanden abziehen. Im Bezirk Oberpullendorf wird die Macht des bisherigen „Stuhlrichters” an einen „Bezirksbeauftragten” übergeben. […]“
(Artinger Heribert, Chronik der Freistadt Rust 1850-1950. Graz 2002, S. 68)
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