Beinahe jedes vierte Kind wurde in der Zwischenkriegszeit unehelich geboren. Diese hohe Zahl war vor allem mit dem Umstand verknüpft, dass die Zugehörigkeit von Müttern aus der „Unterschicht“ eine Verehelichung für die Väter aus sozialen Gründen ausschloss. Als „Abfertigung“ kam es zumeist zu Unterhaltszahlungen. Blieben diese jedoch aus, so blieb oftmals nur der Weg vor Gericht oder zur Gemeindeverwaltung, wie ein Beispiel aus Halbturn 1926 zeigt.
Frau X. erschien im Gemeindesekretariat und gab an: „Meine Tochter Y,. 26 Jahre alt, in unserem Haushalte hat ein uneheliches Kind. […] Das Kind ist bereits 7 Jahre alt. Die Auslagen für das Kind, welches auch sehr nervenschwach ist sind derartige, dass wir allein dieselben nicht bestreiten können. Auch ist das Verhältnis in der Familie sehr häufig Anlass zu Misshelligkeiten, da wir den Kindesvater, damit er seiner Pflicht nachkomme, schon wiederholtemale klagen mussten, und wie aus dem Gerichtsakten ersichtlich ist, schon viele Millionen Kronen an Advokatenspesen zu bezahlen gehabt haben.
Die Mutter des Kindesvaters besitzt eine Landwirtschaft bestehend aus 62 Joch Grund. Der Kindesvater ist bei seiner Mutter in der Wirtschaft tätig und gibt bei Gericht jedesmal an er besitze nichts, habe auch keinen Lohn weshalb er auch für das Kind nichts bezahlen kann. Vor einigen Tagen ist uns aber zu Ohren gekommen, dass er sich mit einem anderen Mädchen verheiraten wird, und sein elterlicher Erbteil und sein erhaltenes Heiratsgut sofort seiner zukünftigen Frau zuschreiben lassen wird, damit er für das Kind nichts zu bezahlen hätte. […]
Unsere Bitte geht nun dahin, die berufsvormundschaft möge den Kindesvater bzw. dessen Mutter dazu verhalten, dass die Alimentationspflicht des Kindesvaters durch Leistung von mindestens 50 S. monatlich erhöht werden soll. […] Desgleichen soll der Kindesvater verhalten werden, dass er uns die bisher für das Kind seit der Geburt desselben aufgelaufennen Kosten vergütet und der Kindesmutter für die Verminderung der Heiratsmöglichkeiten 9.000 S. entweder bar bezahlt, oder aber dass dieser Betrag zu Gunsten meiner Tochter auf sein zu erhaltendes Heiratsgut und elterlichen Erbteil grundbücherlich sichergestellt werde. […]“ (Gemeindearchiv Halbturn, Korrespondenz 1926, Zl. 1174/1926)
Hinterlasse einen Kommentar