Nachdem Kaiser Karl I. am 11. November 1918 auf die Teilnahme an den Staatsgeschäften verzichtet hatte, proklamierte die Provisorische Nationalversammlung am 12. November die Republik Deutsch-Österreich. Am 18. Dezember 1918 nahm die Provisorische Nationalversammlung in Österreich das Gesetz über die Wahlordnung für die konstituierende Nationalversammlung an. In §11 hieß es: „Wahlberechtigt ist jeder deutschösterreichische Staatsbürger ohne Unterschiede des Geschlechts, der vor dem 1. Jänner 1919 das zwanzigste Lebensjahr überschritten hat.” Das passive Wahlrecht wurde nach §12 Männern und Frauen ab dem 29. Lebensjahr erteilt.
Nach dem Ende des NS-Regimes wurde Österreich wieder zur demokratischen Republik. Die Verfassung von 1920 in der Form von 1929 wurde erneut eingeführt. Im Jahr 1949 wurde das Wahlalter für das aktive Wahlrecht auf 20 und für das passive Wahlrecht auf 26 Jahre festgelegt. 1968 erfolgte die Herabsetzung des aktiven und passiven Wahlalters bei Nationalratswahlen auf 19 bzw. 25 Jahre. Die burgenländische Wochenzeitung „BF“ stellte aus diesem Grund im März 1969 Leserinnen und Lesern die „Frage der Woche: Was sagen Sie zur Herabsetzung des Wahlalters?“ Hier ein paar Antworten:
„Johann N., 20 Maurer, Wulkaprodersdorf: Ich glaube, daß es richtig ist, das Wahlalter herabzusetzen. Ich war beim Militär, also warum soll ich nicht mitbestimmen können, wie Bund, Land und Gemeinde verwaltet werden. Ich weiß, daß die Herabsetzung des Wahlalters eine alte Forderung der Sozialistischen Jugend war, hoffe aber, daß nun die Jungen dieses recht zur Kenntnis nehmen und dementsprechend ernst und pflichtbewußt ausüben, denn mehr rechte bringen natürlich auch mehr Pflichten.
Elisabeth S., 20, Angestellte, Purbach: Durch dieses Gesetz bin ab sofort wahlberechtigt, und ich finde es richtig, daß wir früher wählen können. Wir müssen arbeiten wie die anderen, haben also die gleichen Pflichten und wollen daher auch die gleichen reche haben. Gerade Frauen haben in diesem Alter schon oft Familien und Kinder, und daher ist die Mitbestimmung gerechtfertigt und sollte nicht zu einem Politikum gemacht werden.
Johann P., 28, Beamter, Rohrbach: Ich bin strikt dagegen, weil die Jugend nicht reif ist, um sich ein eigenes Bild zu machen. Solange der Junge noch Student oder Lehrling, also von zu Hause abhängig ist und nicht selbst eine Familie hat und die Sorgen des täglichen Lebens kennt, entscheidet er nicht frei und unabhängig. Er ist vom Elternhaus beeinflußt und wird nur zu leicht zum Fußvolk einer Partei. Kein Wähler soll aber ein Milieukind, sondern ein verantwortungsbewußter, eigene Gedanken formender Staatsbürger sein, daß die studierende Jugend ihre Probleme nicht bewältigen kann, wie soll es dann erst die Landjugend können?“
(BF 1969, 10. Ausgabe. März. Seite 3)
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