Der Volksaufstand in Ungarn 1956 war ein kurzer Traum von Freiheit. Die Trennung des burgenländisch-ungarischen Grenzraumes durch den Stacheldraht konnte für eine kurze Zeit aufgehoben werden und die Verbundenheit durch eine tausendjährige gemeinsame Geschichte konnte wieder gelebt werden.
Protokoll des Gendarmeriepostens Lutzmannsburg vom 28.10.1956: „Um die Mittagszeit strömten einige hundert Personen von den Grenzortschaften in Ungarn nach Lutzmannsburg und wurde mit der hiesigen Bevölkerung Wiedersehen und Verbrüderung gefeiert. In Ungarn selbst herrschte eine gesetzlose Zeit. Die Schulkinder der Volksschule in Sira (der Nachbarort in Ungarn) kamen korporativ mit rot-weiß-grünen Fahnen nach Lutzmannsburg und sangen ungarische Freiheitslieder. Dieselben wurden von den Schulkindern aus Lutzmannsburg empfangen und beschenkt.“
Am 28. Feber notiert der Gendarmerieposten Lutzmannsburg: „Es kommen nur noch vereinzelt Flüchtlinge aus Ungarn nach Österreich. Für dieselben ist es fast unmöglich durch die ungarischen Kontrollen durchzukommen. Die Rot-Kreuz-Stellen in Strebersdorf und Frankenau wurden aufgelassen und es befindet sich in Lutzmannsburg nur noch eine kleine Auffangstelle. Über Lutzmannsburg waren ca. 31.000 Flüchtlinge durchgeschleust worden.“
(In: 1956 und das Burgenland. Burgenländische Forschungen. Heft 75. Eisenstadt 1996, S.207, 210)
Wie lange darfst du mein Bruder sein?
Der Artikel, aus den „Burgenländischen Forschungen, 1996“ beschreibt eine singende und Fahnen schwenkende Verbrüderung im burgenländischen Grenzdorf Lutzmannsburg.
Wahrscheinlich herrschten an diesem 28.10.1956 herzzerreißende Umstände: Flüchtlinge emotional überwältigt, von einem fürsorglichen und mitfühlenden Empfang der ortsansässigen Bevölkerung. Verbrüderungsstimmung.
Die Notiz, als Wahrnehmung des Gendarmeriepostens Lutzmannsburg, eingeschränkt auf einen einzelnen Tag und lokaler Geschehnisse, erhält durch die Betitelung „Wiedersehen und Verbrüderung“ eine sehr ausweitende Bedeutung und lässt eine glückliche und zufriedene Flüchtlingspolitik erahnen.
Doch sind Flüchtlinge nicht nur von Freude getrieben, in ihnen spiegelt sich Angst, Ungewissheit, Verluste, und fehlende Perspektiven wider. Der Einsatz aller Helfenden ist hoch anzuerkennen, besonders die Leistungen burgenländischer grenznaher Dörfer, allerdings herrschte auch hier sicherlich nicht nur Festtagsstimmung, sondern auch Katastrophenstimmung und Überforderung. Wie lange bleibt ein Flüchtling nun ein „Bruder“? Oder ist er ein Gast und wird als ein solcher wieder weiterziehen?
Folgt nach erstem Mitleide, eine Angst ums eigene Wohl? Beziehe ich diese Frage auf zeitnahe Diskussionen über eine gerechte Flüchtlingsaufteilung innerhalb der EU, scheint mir eine Aufnahme von Flüchtlingen in Staaten, mit einem schwachen Sozialsystem, als nicht realisierbar und könnte dramatische Unruhen in der Bevölkerung verursachen. Hingegen kann in Österreich ein „mangelnd gekennzeichneter Notausgang“ ein Problem darstellen und auch fatale Folgen für Verantwortliche haben. In manchen Nachbarstaaten haben selbst öffentliche Einrichtungen keinen gekennzeichneten Notausgang.